Die Rebellen von Irland
Budge freigelassen. Bei der nächsten Verfehlung, so wurde ihnen knapp mitgeteilt, mussten sie mit dem Tod rechnen.
Auf dem Weg aus Wicklow hinaus sahen sie Conall. Man hatte ihn an einer Brücke aufgeknüpft, und dort hingen die schwärzlichen Überreste seiner Leiche noch immer. Sie blieben in stummer Ergriffenheit stehen.
»Es hätte jeden von uns treffen können«, sagte einer von den Brennans. »Vor allem dich, Finn.«
»Ich weiß«, erwiderte Finn ernst, der sich freute, dass Conall tot war. »Schrecklich.«
Schweigend, doch als Helden kehrten sie nach Rathconan zurück.
Nur zwei Bewohner des Dorfes behandelten Finn nicht mit dem Respekt, den er sich wünschte. Der eine war überraschenderweise der alte Budge. Er wusste zwar, dass Finn sein Haus vor der Zerstörung bewahrt und ihm selbst womöglich das Leben gerettet hatte, und Finn hatte dafür Dank erwartet. Doch obwohl Budge die Rebellen und alles, was damit zu tun hatte, hasste und obwohl er Conall für das, was er getan hatte, selbst ohne zu zögern an den Galgen gebracht hätte, betrachtete er Finn manchmal mit einem Blick, aus dem die uralte, instinktive Verachtung für einen Verräter sprach.
Deirdre hatte aus ihrer Verachtung kein Geheimnis gemacht. Gleich nach Finns Rückkehr suchte sie ihn auf.
»Glaubst du, ich weiß nicht, was du bist?«, hatte sie leise gesagt. »Ich weiß, was du getan hast.«
»Gar nichts weißt du«, hatte er kaltschnäuzig geantwortet. Sie konnte nichts wissen, es war absolut unmöglich. Und doch wusste sie es.
»Judas«, sagte sie. Aber niemand schenkte ihr Glauben. Die anderen nahmen an, das Unglück habe ihr den Verstand verwirrt. Immer wenn sie in Finns Nähe kam, zischte sie: »Schlange.«
Finn hatte keine Schuldgefühle. Er hatte getan, was er sich vorgenommen hatte. Doch hasste er Deirdre für die Verachtung, die sie ihm zeigte.
Auch Deirdres jüngster Sohn und ihre jüngste Tochter, die noch im Dorf wohnten, begegneten ihm mit Misstrauen. Andere freilich, darunter Finns Mithäftlinge, versuchten sie eines Besseren zu belehren. Deirdre irre sich, sagten sie. Bald sah Finn in ihren Augen Zweifel aufkeimen. Die Vorwürfe gegen ihn würden sich im Lauf der Zeit legen, hoffte er. Doch Deirdre schien darauf aus, sämtliche Mitglieder der Familie Smith gegen ihn einzunehmen. Auch bei Brigids Ankunft würde sie es versuchen. Wie auch immer, es gefiel ihm jedenfalls überhaupt nicht, dass diese Schauspielerin nach Rathconan kam und so tat, als sei sie Menschen wie ihm, die doch vor Gott und jedem vernunftbegabten Menschen gewiss etwas Besseres waren als sie, haushoch überlegen.
Den jungen William konnte er nicht richtig einordnen. Er kam von Mount Walsh, dem Sitz seiner Familie, und musste steinreich sein. Jetzt kehrte er nach Dublin zurück. Conall oder auch Patrick hatten in Finns Gegenwart nie von ihm gesprochen. Ihm war damals aufgefallen, dass Patrick den jungen Adligen vor jeder Besprechung des Aufstands nach draußen geschickt hatte. Vermutlich gehörte William einer ganz anderen Welt an als ich, schloss Finn, einer Welt, von der ich nichts weiß und die mich deshalb auch nicht interessiert.
Brigid und William trafen am Nachmittag ein und begaben sich zum Haus Deirdres. Danach begegneten sie auch Finn. Sie schritten nur wenige Meter an ihm vorbei. Brigid sah ihn im Vorbeigehen an. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke.
Der Atem stockte ihm. Jeder Mann hätte bei diesem Blick aus Brigids blitzenden grünen Augen die Luft angehalten. Finn hatte Empörung erwartet, Wut, Zorn darüber, dass er ihren Vater getötet hatte. Doch auch wenn all dies für einen flüchtigen Moment zu sehen war, vermischte es sich doch mit etwas anderem. Mit Ekel. Brigid sah ihn an wie eine schmutzige, ekelerregende Kreatur, die aus einem Loch in der Erde gekrochen war. Dass er, Finn O’Byrne, sich das bieten lassen musste! Als hätte sie nicht einmal die Schuhe an ihm abstreifen wollen. Dann waren sie und der junge Mann verschwunden.
Den ganzen Abend musste Finn O’Byrne an diesen Blick denken.
Am folgenden Morgen reisten Brigid und William wieder ab. Die Gegend zwischen Rathconan und Dublin war zwar noch nicht wieder ganz sicher, doch Brigid zog es zu ihren Kindern zurück und sie wollte nicht länger warten. Die beiden entschieden sich für den Weg über den Bergrücken, auf dem niemand unterwegs war. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie Randalierern begegneten, war William mit Degen und Pistole bewaffnet. Brigid trug
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