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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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diesen armen Katholiken nicht verteidigen‹, ruft er, ›weil ich ganz genau weiß, dass er zum Tode verurteilt ist, noch bevor der Prozess beginnt. Wozu also Zeit verschwenden? Da Euer Lordschaft ihn auf jeden Fall zu hängen gedenken, können Sie ihn ebenso gut gleich verurteilen. Ich spiele da nicht mit. Aber eines sage ich Ihnen‹, und er sah den Richter Furcht erregend an, ›sein Blut wird an Ihren Händen kleben!‹ Und damit stürmte er aus dem Gerichtssaal.«
    »Und was geschah dann?«, fragte Tidy.
    »Der Richter war so erschrocken, dass er den Mann laufen ließ.«
    »Dann wurde also der Gerechtigkeit Genüge getan?«
    »Keineswegs. Ich habe den großen Mann persönlich danach gefragt. ›Ich hatte keine andere Wahl‹, sagte O’Connell, ›denn in der Verhandlung hätte ich auf verlorenem Posten gestanden. Der Mann war so schuldig wie die Sünde.‹«
    William Mountwalsh gluckste anerkennend. Tidy blickte ernst drein und sagte nichts.
    »Und hat er hier eine Rede gehalten?«, fragte der Earl nach kurzem Schweigen. »War sie gut?«
    »Unerhört«, antwortete Stephen lächelnd. »Sein Kontrahent Fitzgerald ist abgesehen davon, dass er die größten Grundbesitzer der Gegend vertritt, ein Mann mit liberalen Grundsätzen. Sein Anstand wird von Protestanten und Katholiken gleichermaßen bewundert. Also steht unser Mann auf und hält eine Rede, wie ich sie in dieser Art noch nie gehört habe. Er beleidigt ihn ganz offen. Man hätte meinen können, Fitzgerald sei ein Anhänger Cromwells, der mit jedem Frömmler in der Ascendancy gemeinsame Sache macht. Die Menge tobte. Schon allein die Unlauterkeit der Rede war eine Kunst.« Er schüttelte bewundernd den Kopf. »Natürlich wird O’Connell sich hinterher bei Fitzgerald entschuldigen müssen. Aber darauf versteht er sich bestens.«
    Das war Samuel Tidy zu viel. »Hat dieser Mann denn überhaupt kein Gewissen?«, rief er vorwurfsvoll.
    »Nein«, erwiderte Stephen Smith entschieden, »erst nach der Wahl.«
    In diesem Augenblick ertönte vom anderen Ende der Straße lautes Geschrei, und die erste Gruppe von Wählern kam in Sicht.
    Wahlen auf dem Land waren eigentlich eine recht langwierige Angelegenheit. Die Leute kamen aus einer Entfernung von bis zu vierzig Meilen, und die Wahlstuben blieben fünf Tage geöffnet. Gewöhnlich fuhr der Grundherr in einer Kutsche an der Spitze seiner Pächter, die ihm zu Fuß folgten. Er führte sie wie ein General seine Truppen: Er erwartete unbedingten Gehorsam. In der Wahlstube des Gerichtsgebäudes angekommen, stimmte jeder Mann öffentlich so ab, wie es sein Grundherr vorgegeben hatte – wenn er klug war.
    Heute jedoch boten die Männer einen ungewohnten Anblick. Denn die Gruppe, die mit wehenden Fahnen die Straße heraufkam, wurde nicht von einem Grundherrn angeführt, sondern von mehreren Priestern. Hinter den Priestern marschierten Spielleute mit Querpfeifen und Dudelsäcken. Die Schaulustigen am Straßenrand jubelten dem Haufen zu.
    Stephen wandte sich an Mountwalsh. »Beeindruckend, nicht wahr?«, fragte er. Dann entschuldigte Stephen sich mit den Worten, dass er O’Connell aufsuchen müsse, versprach aber, bald zurückzukehren.
    ***
    Im Haus herrschte gespannte Erwartung, als Stephen eintrat. O’Connells Cousin Charles stand in dem großen Zimmer im Obergeschoss am Fenster und beobachtete die vorbeimarschierenden Männer. Daniel O’Connell selbst war von Sympathisanten und Helfern umringt.
    »Da marschieren sie«, rief Charles begeistert. »Noch einmal fünfzig. Tapfere Burschen.«
    Doch während alle anderen strahlten, wirkte der große Mann selbst überraschend nachdenklich.
    »Ganz recht, Charles«, sagte er, »tapfere Burschen. Denn jeder von ihnen riskiert die Vertreibung. Das wollen wir nicht vergessen.« Er wandte sich an seinen Stellvertreter. »Shiel, ab sofort müssen Sie sich vorrangig um die Grundherren kümmern. Die Orangeisten glauben, dass das gesamte katholische Irland zum Aufstand bereit ist und dass ich der Einzige bin, der ihm Einhalt gebieten und die Flut eindämmen kann. Natürlich irren sie, aber wir können aus ihrer Angst Kapital schlagen. Sie müssen ihnen klarmachen, dass ich für nichts garantieren kann, wenn sie sich mit Vertreibungen rächen.«
    »Ich werde ihnen sagen, dass jede Vertreibung gegen ihre eigenen Interessen wäre«, erklärte Shiel.
    »Genau! Machen Sie ihnen das begreiflich.«
    Charles O’Connell blickte die Straße entlang. »Ach«, sagte er, »da kommt ein trauriger

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