Die Rebellen von Irland
der Earl of Mountwalsh nach Ennis gekommen, und Stephen freute sich darüber. Allerdings fragte er sich, wer der ernste kleine Mann war, den Seine Lordschaft mitgebracht hatte.
Man musste William Mountwalsh einfach mögen. Seine Frau war zwar einfältig – aber sehr nett. Und manch einer mochte über diesen korpulenten Aristokraten mittleren Alters sogar schmunzeln, der sich in den Kopf gesetzt hatte, kein wichtiges Ereignis zu verpassen und, wie er Stephen einmal vergnügt gestanden hatte, »jede interessante Persönlichkeit in Irland kennen zu lernen«. Als steinreicher Mann und Mitglied des Oberhauses hatte der Earl überall die Hand im Spiel. Er konnte fast alles für einen tun, wenn er wollte. Und er war ein unterhaltsamer Gesprächspartner. Schließlich war er nicht nur der Sohn des berüchtigten Hercules, sondern auch ein Freund Robert Emmets gewesen. Er hatte in Paris und Amerika gelebt und als junger Mann am Trinity den schrecklichen Fitz-Gibbon öffentlich gedemütigt.
Aber für Stephen Smith, mit seinen zwanzig Jahren schon ein zynischer und desillusionierter junger Mann, war das Besondere an Seiner Lordschaft, dass er einen im Unterschied zu den meisten Aristokraten nicht einfach fallen ließ, wenn er seine Neugier befriedigt hatte. Mit ihm hatte man einen Freund fürs Leben.
Jetzt winkte William Mountwalsh ihm von den Eingangsstufen des besten Gasthauses in der Stadt zu, und Stephen ging mit aufrichtiger Freude zu ihm.
»Hab ich mir doch gedacht, dass ich Sie hier treffen würde, Stephen«, sagte der Earl freundlich. »Was ist das für ein Ordensband, das Sie da tragen?«
»Es hängt auch eine Medaille daran«, erwiderte Stephen und grinste. »Der Orden der Befreier. Den hat der große Mann kreiert. Wenn ich ihn trage, komme ich mir gleich vornehmer vor.«
Seine Lordschaft schüttelte amüsiert den Kopf, dann stellte er seinen Begleiter vor, einen ernsten, stillen Mann Mitte zwanzig, der mit ihm in Mount Walsh geweilt hatte. Samuel Tidy, so erklärte er, sei Quäker. Stephen war überrascht, dass ihn Seine Lordschaft mit einem Aufenthalt in Wexford beehrt hatte. Tidy machte nämlich einen recht langweiligen Eindruck.
»Wir sind vor dem Morgengrauen in Limerick aufgebrochen, Stephen«, erklärte der Earl. »Erzählen Sie uns, was hier los ist.« Er deutete mit dem Kopf auf die bunten Fahnen, die aus den Fenstern hingen.
»Natürlich haben wir alles gründlich vorbereitet«, erklärte Stephen. »Bei O’Connells Ankunft hier sind Tausende von Menschen gekommen. Er hat an alle namhaften Bürger geschrieben. Außerdem lebt ein Cousin von ihm hier.« Er deutete auf ein gediegenes Haus mit Balkon ein Stück die Straße runter. »Dort wohnt er. Ich muss gleich wieder zu ihm.«
»Wir haben hier schon jede Menge Priester gesehen«, bemerkte Mountwalsh, und Stephen lachte.
»Einhundertundfünfzig, nach der letzten Zählung. Sie haben die ganze Stadt übernommen. Ein paar haben sogar an den Wahllokalen Posten bezogen, um sicherzustellen, dass keiner umfällt. Es ist ein Kreuzzug. Und die Vorschriften sind geradezu beängstigend. Ale ist erlaubt, aber es darf kein Tropfen Whiskey getrunken werden, und gnade Gott jedem guten Katholiken, der mit schwarz gebranntem Kartoffelschnaps erwischt wird. In diesem armseligen Nest gibt es siebenundzwanzig Gasthäuser, Mylord, und die Priester behalten alle im Auge. Es ist schrecklich, so viele wackere Männer in nüchternem Zustand zu sehen.«
Er glaubte zu bemerken, wie Tidy bei diesen Worten zusammenzuckte.
»Meine Großmutter kannte O’Connell, als er noch jung war«, sagte William Mountwalsh. »Zu jener Zeit, so erzählte sie mir, sei er nicht annähernd so katholisch, sondern eher ein Deist gewesen.«
»Nun ja, heute ist er gewiss ein guter Sohn der Kirche«, sagte Stephen. »Seine ganze politische Karriere fußt darauf. Und sehen Sie sich das Ergebnis an.«
»Ein Mann kann seine Meinung ändern«, flocht der Quäker freundlich ein. »Mr O’Connell ist ohne Zweifel aufrichtig in seinem Glauben.«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Stephen ganz offen, »ob ein richtiger Politiker jemals weiß, woran er glaubt.«
Lord Mountwalsh kicherte, aber Tidy blickte verdutzt.
»Sie müssen wissen«, sagte der Earl zu dem Quäker, »dass Stephen mich trotz seiner Jugend seit Jahren in der Politik unterweist.«
Stephen war erst sechzehn gewesen, als er zu O’Connell gestoßen war. Als Empfehlung hatte er damals nichts anderes vorzuweisen als eine schnelle
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