Die Rebellen von Irland
Gehöften, seiner Tuch- und Leinenindustrie. Aber den ländlichen Westen Irlands entdeckte er erst jetzt.
Wie war es möglich, so fragte er sich, dass die Menschen inmitten dieser großartigen Landschaft so arm waren? Wie konnten die Bürger von Ennis die schreckliche Verwahrlosung in den Elendsquartieren an den Zugangsstraßen der Stadt zulassen? Warum schämten sie sich nicht? Wie konnten die Grundherren, und nicht nur die, die in England lebten, sondern auch die anderen, die hier waren und alles sahen, Iren vom selben Blut, wie konnten sie als Christen zulassen, dass ihre Nächsten ein so kümmerliches Dasein fristeten, ohne etwas dagegen zu unternehmen? Und dann die Armen selbst. Wie konnten sie so fahrlässig sein, ständig Kinder in die Welt zu setzen, die im Elend aufwachsen mussten? Seine Quäker-Seele empörte sich gegen diese ungeheure Verantwortungslosigkeit.
Jetzt kam dieser unangenehme junge Politiker zurück. Samuel Tidy hatte mehr über Stephen Smith erfahren, als ihm lieb war. Aber er atmete tief durch und rief sich ins Gedächtnis, dass es ihm nicht zustand, über einen anderen Menschen zu richten.
***
Stephen gefiel diese verrückte Wahl. O’Connell hatte ihn auf einen Botengang geschickt, aber er hatte Lord Mountwalsh versprochen, wiederzukommen, und da er nur ein oder zwei Minuten bei ihm bleiben konnte, war er froh, dass er ihm etwas Amüsantes zu berichten hatte. Die Szene, die er soeben miterlebt hatte, war recht bemerkenswert gewesen. Denn die Rede, die Father Murphy gehalten hatte, war in ihrer Eindringlichkeit faszinierend gewesen.
»Er hat nur Irisch gesprochen«, berichtete er. »Die O’Connells mussten übersetzen, denn die meisten von uns aus Leinster können nicht genug Irisch. Als Erstes erinnert er sie an ihre Pflicht, und alle machen entsprechend ernste Gesichter, aber er ist sich nicht sicher, ob das zieht. Deshalb erinnert er sie an die vielen anderen, die so abstimmen, wie sie sollen, und dass ihre Kameraden sie zum Teufel wünschen werden, wenn sie ihnen in den Rücken fallen. Das beeindruckte sie sichtlich. Und dann kam das entscheidende Argument. Ob sie nicht wüssten, rief er und drohte ihnen mit seinen langen knochigen Fingern, dass einer von den Katholiken für den Protestanten gestimmt habe – und dass ihn der Schlag getroffen habe, kaum dass er die Wahlstube verlassen hatte? ›Gottes Strafe folgt auf dem Fuß‹, brüllte er. ›Darauf könnt ihr euch verlassen. Die Heiligen sehen zu und passen auf!‹ Es war Furcht einflößend. Ich habe selbst Angst bekommen.«
Der Earl lächelte gequält. Stephen kicherte. Aber Tidys Miene hingegen verfinsterte sich.
»Glauben Sie, dass da wahrhaftig ein Unglücklicher vom Schlag getroffen worden ist, oder gibt es den Mann gar nicht?«, fragte er ernsthaft.
»Du lieber Himmel«, rief Stephen. »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Was spielt das für eine Rolle?«
»Ist es Ihnen gleich, ob etwas wahr oder gelogen ist?«, fragte der Quäker.
»Sie haben ja überhaupt keine teuflische Ader«, erwiderte Stephen, »sonst würden Sie es verstehen.«
»Das hoffe ich«, sagte Tidy ruhig.
***
Einige Zeit später, als Stephen durch die Straße ging, in der die Lokalzeitung Clare Journal ihre Geschäftsräume hatte, erblickte er den großen blauäugigen Mann, der ihm unter den Pächtern, denen Father Murphy seine flammende Rede gehalten hatte, aufgefallen war. Sie hatten alle für O’Connell gestimmt. Nun blieb abzuwarten, ob Callan, der Agent, sie von ihren Höfen vertrieb oder ob man ihn davon abhalten konnte.
Der große Mann stand vor einem kleinen Karren und schaute ernst drein. Neben ihm ein Mädchen, etwa zehn Jahre alt, blass, mit ernstem Gesicht. Der Mann hatte ihr den Arm um die Schulter gelegt. Offensichtlich Vater und Tochter. Tröstete er sie oder sie ihn? Sie musste wissen, was er getan hatte.
Schade, dachte er, dass das Mädchen so hässlich ist.
* 1843 *
Es begann in aller Stille in Amerika. Ein Farmer aus der Gegend von New York nahm eines Tages seinen Kartoffelacker in Augenschein und merkte, dass etwas nicht in Ordnung war. Ein paar Kartoffelblätter hatten Flecken. Der Farmer wartete ein paar Tage. Noch mehr Blätter zeigten Flecken, und die anderen, die ihm zuerst aufgefallen waren, verdorrten. Die Stängel, aus denen sie sprossen, schienen ebenfalls befallen. Noch am selben Abend sprach er mit seiner Frau darüber, ob sie die kranken Pflanzen ausgraben oder früher ernten sollten.
Als er am nächsten
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