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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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loyaler katholischer Whig sind, was in meinen Augen ja auch stimmt. Der neuen Regierung hat das gefallen, sehr sogar. Ein vernünftiger Mann, habe ich ihnen gesagt, dem gewisse gefährliche Tendenzen bei den Jungen Irländern missfallen. Und ein glänzender Organisator. Ich habe keine Zweifel, dass Sie erfolgreiche Arbeit leisten werden.«
    Zumindest war es eine Abwechslung. Gegen Ende des Sommers hatte Stephen Smith nämlich von der Politik genug gehabt. Jedenfalls für eine Weile. Nicht einmal die Rückkehr der Whigs an die Macht hatte sein Interesse wiederzubeleben vermocht. Hatte er in all den Jahren irgendetwas Nützliches vollbracht? Nein, hatte er nicht. Seinem alten Chef O’-Connell ging es nicht gut. Er konnte nichts mehr für ihn tun. Und die Jungen Irländer mochte er nicht – da hatte William Mountwalsh völlig Recht. Sie meinten es gut, zumindest einige, aber ihre Disziplin ließ zu wünschen übrig. Einige wollten wie einst Robert Emmet einen Aufstand anzetteln. Das war aussichtslos. Und gefährlich. Sie würden untergehen und andere mit sich reißen, genau wie Emmet seinerzeit.
    Doch dann hatte er wieder einen Brief von Mr Knox, dem Inhaber des Clare Journal, erhalten, und der hatte ihn auf eine Idee gebracht. Der Inhalt des Briefs hatte ihn schockiert, und als Knox ihm die Organisation schilderte, die jetzt in Ennis ins Leben gerufen wurde, hatte er plötzlich die Chance gewittert, etwas wirklich Nützliches zu tun.
    Deshalb war er jetzt hier, als einer von mehreren Aufsehern des neuen Beschäftigungsprogramms, das Ennis vor dem Hunger retten sollte. Sein direkter Vorgesetzter war Mr Hennessy, der Oberaufseher für die Region, und sie beide unterstanden einem energischen Marineoffizier, der unter dem Namen »der Captain« bekannt war und die Verantwortung für die gesamte Grafschaft trug. Charles O’Connell hatte ihm freundlicherweise ein Zimmer in seinem Haus angeboten, aber er hatte ihm nicht zur Last fallen wollen, und so hatte ihm Charles eine Unterkunft in der Nähe besorgt.
    Hennessy suchte ihn am nächsten Morgen auf. Der groß gewachsene, freundliche und sympathische Herr setzte ihn mit wenigen Worten über den Umfang der Projekte ins Bild. »Ich persönlich glaube«, sagte er, »dass wir bis zum Jahresende fünfzigtausend Männer in dieser Grafschaft beschäftigen werden.« Stephen sollte mehrere Projekte in Ennis leiten, und Hennessy machte ihn mit den Vorschriften bekannt. »Die sind unbedingt einzuhalten«, warnte er. »Die neue Regierung will gute Arbeit leisten, aber hart durchgreifen.« Ob es irgendwelche besonderen Probleme gebe, von denen er wissen sollte, fragte Stephen. »Nun ja«, antwortete Hennessy zögernd, »ehrlicherweise muss man wohl sagen, dass wir immer noch einen kleinen Rückstand aufzuholen haben. Bevor wir anfangen konnten, gab es eine kleine …«, er suchte nach einem passenden Wort, »… Verzögerung.«
    Was das bedeutete, erfuhr Stephen am Nachmittag, als er bei Mr Knox im Journal vorbeischaute. Wie gewohnt rief Knox nach seinem Einspänner und unternahm mit ihm eine kurze Stadtrundfahrt. Die Veränderung gegenüber seinem letzten Besuch war erschütternd. Wo er beim vorigen Mal zerlumpte Kinder und besorgte Gesichter gesehen hatte, sah er nun bis zum Gerippe abgemagerte kleine Geschöpfe und Frauen mit stierem Blick.
    »Diese Menschen sind nicht arm, sie verhungern.«
    »Manche ja, andere nicht. Einige sind schon gestorben.«
    »Aber wieso?«
    »Ganz einfach. Die Kartoffelernte im Juli und August ist ausgefallen. Und wenn ich ausgefallen sage, meine ich damit, dass jede Kartoffel, die auf den Markt kam, verfault war. Auf keinem einzigen Acker, in keinem Garten in ganz Ennis wurde auch nur eine einzige genießbare Kartoffel geerntet. Der Gestank der verfaulten Felder lag über der Stadt wie über einer offenen Pestgrube. Was ich damit sagen will, Smith: Nach den monatelangen Entbehrungen haben die Menschen in Ennis keinerlei eigene Nahrungsmittel produziert. Unglücklicherweise fiel das alles in die Zeit eines Regierungswechsels. Und Sie wissen, wie das ist, wenn eine neue Regierung an die Macht kommt. Nichts, was vorher getan wurde, kann richtig sein.«
    »Ja und?«
    »Nun ja, sie hat natürlich die Hilfekomitees aufgelöst. Es wurde nichts getan. Bis in den Oktober hinein. Die Menschen halfen sich gegenseitig, um nicht zu verhungern, aber in den abgelegenen Dörfern sind die Alten und Kranken weggestorben. Wir haben so ausführlich wie möglich berichtet,

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