Die Rebellen von Irland
vor.
Die Lage in Ennis ist so, wie ich es vorausgesagt habe, wenn nicht noch schlimmer. Die ersten Versorgungsengpässe traten im Februar auf, und mit der Verknappung stiegen die Preise. Der übliche Preis für einen Vierzehn-Pfund-Sack Kartoffeln auf dem Markt beträgt zwei Pennys, aber jetzt liegt er bei fünf. Daran haben die Armen schwer zu tragen. Bisweilen sind überhaupt keine Kartoffeln zu bekommen, zu welchem Preis auch immer. Im Arbeitshaus sind sie ausgegangen, daher versucht man jetzt, billiges Importgetreide zu kaufen. Andere haben versucht, verdorbene Kartoffeln zu essen. Auch im Fieberspital gab man Patienten verdorbene Kartoffeln, mit dem Resultat, dass jetzt viele unter Darmerkrankungen leiden.
Die Regierung hat die Vertreter der Krone in jeder Grafschaft angewiesen, Hilfskomitees einzusetzen, aber das alles geht viel zu schleppend vonstatten.
Unser Magistrat hat die Geduld verloren und die Sache jetzt selbst in die Hand genommen. Nach geltendem Recht ist er befugt, Beschäftigungsprogramme zu beschließen, deren Kosten zu einer Hälfte von der Regierung getragen und zu anderen Hälfte durch einen staatlichen Kredit gedeckt werden, den wir als Gemeinde später zurückzahlen müssen. Die Programme beschränken sich bislang auf einige Straßenbauarbeiten und andere einfache Projekte, allerdings hoffe ich, dass wir später eines der Vorhaben, über die wir bei Ihrem Besuch gesprochen haben, in Angriff nehmen können. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat meiner Schätzung nach nur jeder vierte Arbeitssuchende eine Beschäftigung.
Darüber hinaus haben wir in Ennis ein Hilfskomitee gebildet. Die meisten Bürger, die ihm angehören, sind Freunde von Ihnen, womit ich sagen will, dass sie Anhänger O’Connells sind. Deshalb hat ein Großteil der hiesigen Gentry darauf verzichtet, sich uns anzuschließen. Ich bin mit Sicherheit der einzige protestantische Tory im Komitee. Außerhalb von Ennis ist unsere Gentry allerdings bemüht, Arbeit und Auskommen zu schaffen, und man bittet um Spenden. Aber all diese Bemühungen sind Flickwerk und entbehren einer vernünftigen Planung. Auf den Gütern in England lebender Grundbesitzer sind die Zustände gewöhnlich schlimmer. In einer Gemeinde sind zweitausend Seelen ohne jede Nahrung.
Erstaunlich ist, dass es bislang so wenige Unruhen gegeben hat. Dies dürfte teilweise auf die schlechte Witterung zurückzuführen sein, denn es war kalt und feucht; erst neulich haben wir Schnee bekommen.
Es ist schwer zu verstehen, wie unsere Regierung gegen das Leid ihrer Bevölkerung so gleichgültig sein kann.
Stephen hob den Kopf und blickte zu William Mountwalsh.
»Warum ist die Regierung so gleichgültig? Übertreibt Knox?«
»Oh nein«, antwortete der Earl. »Ich bin überzeugt, dass er die Wahrheit sagt. Aber unser Freund Knox verwechselt Gleichgültigkeit mit gezielter Politik. Ich habe gestern mit jemandem in der Burg gesprochen. Die Regierung zögert Hilfsmaßnahmen so lange wie möglich hinaus. Aus einem einfachen Grund. Weil sie die Leute vor Ort nur so dazu zwingen kann, Verantwortung für ihre eigenen Angelegenheiten zu übernehmen. Nehmen Sie Ennis. Knox ist eine rühmliche Ausnahme, aber die anderen Bürger und die örtliche Gentry haben wiederholt gezeigt, dass sie keinen Finger für die Stadt rühren, bis ihnen nichts anderes mehr übrig bleibt.« Er lächelte. »Das liegt wohl in der menschlichen Natur. Ich bin sicher, dass ich nicht annähernd so viel tue, wie ich sollte, weil ich nicht muss.«
»Er arbeitet sehr hart«, protestierte Lady Mountwalsh.
»Überall in Irland erwarten die Grundbesitzer, dass ihnen die Regierung aus der Patsche hilft. Und das wird die Regierung nicht tun.«
»Aber sie kann die Menschen doch nicht einfach verhungern lassen.«
»Nein. Und Knox wird auch bekommen, was er wünscht. Die Regierung wird eingreifen. Aber die Menschen vor Ort müssen die Last schultern und Verantwortung übernehmen.«
»In welcher Form?«
»Mehr oder weniger so, wie Knox es will. In Form umfangreicher öffentlicher Bauvorhaben. Als Argument führt man ins Feld, dass es verkehrt wäre, arbeitsfähigen Menschen Geld zu schenken. Es verwöhnt sie und untergräbt ihre Selbstachtung. Sie sollen für alle Zuwendungen arbeiten. Aber er hat Recht, wenn er sagt, die Lebensmittelpreise seien zu hoch. Deshalb wird man die Preise wohl mit Subventionen niedrig halten müssen.«
Dudley Doyle sog hörbar die Luft ein. Der Ökonom schüttelte den
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