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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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aber man erfährt nicht immer alles rechtzeitig. Auf jeden Fall gab es viele Tote.«
    »Das wird sich jetzt ändern.«
    »Tatsächlich? Und wie? Wollen Sie staatliche Bauprojekte durchführen?«
    »In großem Umfang.«
    »Und werden Sie Nahrungsmittel subventionieren?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Natürlich nicht. Das würde ja den Markt schädigen, und das ist in den Augen eines Whigs ein verabscheuungswürdiges Verbrechen.«
    Stephen dachte an Dudley Doyle.
    »Das leugne ich nicht«, gestand er.
    »Die Preise für die knappen Nahrungsmittel sind in ungeahnte Höhen geklettert, deshalb wird der Lohn, den Sie den vielen tausend Männern zahlen, nicht ausreichen, um eine Familie zu ernähren. Die Männer werden arbeiten und trotzdem hungern, Mr Smith.« Er sah Stephen ernst an. »Ich bin nur ein Tory, Sir. Sie sind ein Whig, ein Freund der irischen Katholiken. Das ist Ihre Regierung. Warum ist Ihre Regierung so dumm?«
    »Das kann ich nicht beantworten.«
    »Aber ich, Sir. Das starre Festhalten an politischen Grundsätzen ist mit der völligen Unkenntnis der lokalen Verhältnisse eine unselige Verbindung eingegangen. Das Kind, das aus dieser Verbindung hervorgehen wird, ist eine Hungerkatastrophe in einem Ausmaß, wie wir sie noch nie erlebt haben.«
    »Das liegt nicht in ihrer Absicht. Die Whigs wollen nur das Beste.«
    »Selbstverständlich wollen sie nur das Beste«, schrie der Zeitungsinhaber. »Das ist ja das Schlimme. Die gegenwärtigen Führer der Whigs sind Reformer, sie haben das Wahlrecht erweitert, sie haben versucht, den Katholiken zu helfen. Sie wollen nicht nur das Beste, sondern sind auch von der Richtigkeit ihres Handelns überzeugt. Deshalb werden sie nicht zuhören. Das ist die eigentliche Tragik.« Er machte nur eine Pause, um Luft zu holen. »Was ist das schlimmste Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Smith?«
    »Vorsätzliche Grausamkeit, würde ich sagen.«
    »Und Sie würden damit falsch liegen. Es ist nicht die Grausamkeit, nicht der böse Vorsatz. Sondern die Dummheit.«
    »Und warum erzählen Sie mir das?«, fragte Stephen.
    »Damit Sie daraus lernen«, sagte Knox. Dann fuhr er ihn zurück.
    In den folgenden Tagen kniete sich Stephen in die Arbeit. Offenbar gab es einen neuen Plan, der vorsah, alle paar Tage Leute zu beschäftigen. Einige Projekte waren sinnvoll, wie etwa der Bau eines anständigen Abwassersystems für Ennis. Aber bei den meisten handelte es sich um überflüssige Straßenarbeiten, deren Haupteffekt darin bestand, dass sie die Zufahrtswege in die Stadt blockierten. Einmal empfahl er Hennessy, ein Stück Brachland urbar machen zu lassen. Es gehörte einem älteren Bauern, der selbst nicht mehr die Kraft dazu hatte. »Dann könnte er dort wenigstens Getreide anbauen und die Kornvorräte aufstocken«, schlug Stephen vor. Aber Hennessy schüttelte den Kopf. »Wie können Sie so etwas vorschlagen, Stephen? Das ist Privatland. Die Erschließung wäre reproduktive Arbeit, denn das Korn, das dort angebaut wird, gehört dem Bauern und kommt auf den Markt. Wir würden privaten Profit schaffen und in den Handel eingreifen. Das geht nicht. Nur öffentliche Projekte, mein Junge, so nutzlos sie auch sein mögen.« Also blieb das Stück Land ungenutzt.
    Er war seit zehn Tagen hier, als er Zeuge eines merkwürdigen Vorfalls wurde. Er beobachtete eine Gruppe von etwa fünfzig Männern, die damit beschäftigt waren, die Seitenstreifen der Straße, die zu den Quais führte, zu säubern. Die Arbeit kam nur im Schneckentempo voran, aber einige Männer sahen so schwach und unterernährt aus, dass es grausam gewesen wäre, sie zu größerer Eile anzutreiben, und da die Arbeit ohnehin ziemlich sinnlos war, bestand dazu auch kein Grund.
    Ein mit Getreide beladener Wagen rumpelte die Straße herunter, die zu den Quais führte. Die Arbeiter beobachteten ihn mit stumpfem Blick. Dann lösten sich drei aus der Gruppe und gingen auf den Wagen zu. Einer von ihnen war der große Mann, den Stephen im letzten Dezember mit dem unscheinbaren Mädchen und dessen Schwestern gesehen hatte. Der Mann hieß Madden, wie er inzwischen erfahren hatte. Als die drei den Wagen erreichten, sprach Madden mit dem Kutscher. Stephen konnte nicht hören, was er sagte, aber er schien ruhig zu argumentieren und nicht zu drohen. Nach einer Weile nickte der Kutscher, wendete die Pferde und fuhr denselben Weg zurück, den er gekommen war. Die drei Männer gingen schweigend wieder an ihre Arbeit.
    Stephen zögerte. Was er gesehen hatte,

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