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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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missfielen. Vielleicht hatten diese Meinungsverschiedenheiten den jungen Mann auch darin bestärkt, aus dem Haus des Onkels auszuziehen. Allerdings hatte es, soweit Father Brendan wusste, keinen großen Familienkrach gegeben. Doch als der Onkel starb, war Willy weder zur Totenwache noch zum Begräbnis erschienen. Nicht einmal besucht hatte er die Familie. Und Berichten zufolge hatte er seine Tante damit tief gekränkt.
    Einige Wochen später war der Priester Willy begegnet und hatte ihn darauf angesprochen. Das sei doch wirklich nicht nett gewesen, hatte er gesagt. Doch der junge O’Byrne machte nur ein erstauntes Gesicht und sagte: »Ich mochte ihn eigentlich nie.«
    »Aber hättest du nicht Rücksicht auf die Gefühle deiner Tante und deiner Cousinen nehmen müssen?«
    »Meinen Cousinen war es egal. Wahrscheinlich wollte ich einfach keine falschen Gefühle vortäuschen.« Willy hatte mit den Schultern gezuckt. »Mein Onkel war kein angenehmer Mensch.«
    »Ein Urteil darüber steht dir nicht zu. Siehst du denn nicht ein, wie taktlos du dich verhalten hast?«
    Father Brendan hatte zwar den Eindruck gehabt, dass Willy es womöglich einsah – alles andere war unvorstellbar –, dass es ihn aber nicht kümmerte.
    Jetzt freute er sich zu sehen, dass die junge Frau in Willys Begleitung eine der drei Töchter seiner Tante war. Vielleicht wollte der junge Mann sich bei ihr entschuldigen. Er grüßte die beiden, und auf seine Frage nach ihren Plänen für den Nachmittag antwortete Willy, er habe sich zusammen mit seiner Cousine soeben einen Film in dem kleinen Theater angesehen, das vor kurzem eigens zu diesem Zweck eröffnet worden war.
    »Es heißt Volta, Father, gleich hinter uns. Waren Sie schon dort?«
    »Nein«, erwiderte der Priester. »Kamen viele Zuschauer?«
    »Außer uns nur noch einige wenige. Ich wollte Joyce eine Anzeige in der Zeitung verkaufen, aber er konnte sie sich nicht leisten. Das Kino läuft leider schlecht.«
    Father Brendan hatte davon gehört. James Joyce war Oliver St. John Gogartys Protegé. Und Gogarty mochte sagen, was er wollte, der junge Joyce schien keineswegs voranzukommen. Er war mit einem Dienstmädchen durchgebrannt und hatte sie, soweit Father Brendan wusste, dann doch nicht geheiratet, ein Verstoß gegen die guten Sitten und eine Torheit obendrein. Er hätte sich nach einem Beruf oder wenigstens einer regelmäßigen Anstellung umsehen können, doch besaß er nicht den Fleiß Gogartys, der drauf und dran war, ein namhafter Arzt zu werden. Joyce war charakterschwach und würde es nie zu etwas bringen. Doch man durfte über niemanden urteilen, korrigierte Father Brendan sich. Die Gnade Gottes konnte dem Menschen auf unsichtbare Weise zuteil werden. Jedenfalls war Joyce auf den Kontinent gereist und hatte aus unbekannten Gründen in Triest gelebt. Jetzt war er nach Dublin zurückgekehrt und hatte in der Mary Street ein Kino eröffnet, offenbar mit Unterstützung einiger Geldgeber aus Triest. Obwohl Father Brendan schleierhaft war, wie man in Triest beurteilen konnte, ob die Dubliner gern ins Kino gingen. Er hatte den mageren jungen Mann trübselig am Eingang des Kinos stehen sehen, ihn aber nicht angesprochen.
    »Das Kino setzt sich überall durch, heißt es, nur nicht in Dublin«, sagte Willy. »Jedenfalls noch nicht. Ich glaube, Joyce ist zu früh dran.«
    »Gewiss«, sagte Father MacGowan. »Nun, ich muss weiter. Eine Dame im Rotunda-Hospital erwartet meinen Besuch.«
    ***
    »Er hält mich für rücksichtslos«, sagte Willy, nachdem der Priester sich entfernt hatte.
    »Du bist auch nicht immer nett«, erwiderte seine Cousine Rita.
    Willy zuckte die Schultern.
    »Außerdem hast du die Frage nicht beantwortet, die ich dir gestellt habe, bevor wir Father MacGowan trafen«, sagte Rita. »Ich glaube, es ist dir egal.«
    Willy überlegte. Es war ihm tatsächlich egal, aber das wollte er Rita nicht sagen. Sie war das einzige Mitglied der Familie, mit dem er immer sehr gut zurechtgekommen war. Und er konnte ihren Unmut verstehen.
    Warum, hatte sie gefragt, verdienten ältere Männer, die in Jacobs Keksfabrik arbeiteten, über ein Pfund pro Woche, sie selbst, eine junge Frau, weniger als ein Drittel davon? Die Männer müssten davon ihre Familie ernähren, hatte Willy erwidert. So sei es immer gewesen, und bisher hätte sich niemand beklagt. »Aber jetzt beklagen wir uns«, hatte Rita gesagt. Auch einige junge Männer, die für die gleiche Arbeit natürlich mehr als die Frauen, aber doch

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