Die Rebellen von Irland
Zeitung heraus. Sie besuchte Dublin nur gelegentlich, doch wenn sie kam, so schien es Sheridan, fiel sie wie angreifende Kavallerie in der Stadt ein.
Dass Caitlin eine Gräfin war, würde sofort ihr Interesse wecken. Maud Gonne war mit ihren großen, neugierigen Augen und dem energischen Kinn die Personifizierung der eigenwilligen Dame der Gesellschaft. Offenbar fühlt sich Yeats von solchen Frauen angezogen, dachte Sheridan. Jetzt befragte sie Caitlin und hatte bald alles herausgefunden, was sie wissen wollte.
»Herrlich«, rief sie, »wirklich herrlich. Eine echte irische Adlige, die in ihr Land zurückgekehrt ist. Und sie spricht auch noch die Sprache ihrer Väter. Mein liebes Kind, du musst bei uns eintreten. Inghinidhe na hEireann ist wie für dich geschaffen. Es ist deine Heimat.«
Inghinidhe na hEireann: die Töchter Erins. Maud Gonne selbst hatte die Bewegung gegründet, als die anderen nationalen Gruppen sie als Frau nicht hatten aufnehmen wollen. Ziel der Bewegung war es, den schädlichen Einfluss Englands auf die irische Kultur zu bekämpfen, doch ging die praktische Arbeit noch um einiges darüber hinaus. Die Töchter Erins unterrichteten nicht nur die Kinder der Armen in der irischen Sprache, sie warnten auch die irischen Frauen davor, mit englischen Soldaten auszugehen, und verteilten Flugblätter, in denen vor den Gefahren unehelicher Kinder gewarnt wurde. Wer Mitglied werden wollte, musste von Geburt Irin sein. »Merkwürdig, dass Maud Gonne ihr Leben dem Kampf gegen so viele Dinge widmet, die sie selbst verkörpert«, hatte Sheridan einmal gesagt. Einige führende Mitglieder der Bewegung hatten sogar neue, irische Namen angenommen, unter denen sie innerhalb der Organisation bekannt waren. Maud Gonne selbst hieß dort Maeve.
»Hier.« Sie langte in die Tasche ihres Pelzmantels und zog eine kleine, runde Brosche in der Form eines altirischen Halsrings heraus. »Die Töchter Erins tragen dieses Abzeichen. Ich schenke es dir. Trage es, wenn du älter bist.« Sie lächelte, doch blieb ihr Blick unverwandt auf Caitlin gerichtet. »Du wirst nicht nur auf der Bühne eine große Rolle spielen, mein Kind. Mit deinen Haaren und deinen Augen wirst du eine Sensation sein. Doch erwartet dich auch eine wichtige Rolle in der Geschichte deines Landes.« Sie machte eine Pause und fügte dann mit einem letzten eindringlichen Blick hinzu: »Vergiss das nicht, Caitlin. Dieses Geschick ist dir von Geburt an bestimmt.«
Nach diesen Worten rauschte sie hinaus. Caitlin sah ihr fasziniert hinterher. Und Sheridan überlegte, ob dieser Besuch im Abbey Theatre womöglich folgenreicher war, als er beabsichtigt hatte.
***
Father Brendan MacGowan schränkte auch im Alter seine vielen wohltätigen Besuche in der Stadt nicht ein, doch plante er die Wege besser, die er ging. Als er jetzt die Mary Street nach Westen entlangmarschierte, hatte er seinen breiten Rücken dem Ostwind zugekehrt, der ihn sanft vorwärtsschob. Da sah er Willy O’Byrne in Begleitung einer jungen Frau auf sich zukommen. Er runzelte die Stirn.
Er war sich nicht sicher, was er von Willy halten sollte. Natürlich hatte er sich gefreut, dass er ihm bei seinem beruflichen Einstieg hatte helfen können. Sheridan Smith schien auch überaus zufrieden mit ihm. Willy hatte jetzt ein eigenes Gebiet zu betreuen und warb erfolgreich Inserenten. Die Kunden schienen ihn zu mögen. Wie Father Brendan gehört hatte, war er in eine eigene Wohnung in der Nähe des Mountjoy Square gezogen. So weit war alles in Ordnung. Der Priester hatte auch nichts dagegen einzuwenden, dass Willy so viel Zeit im Buchladen seines unchristlichen Bruders verbrachte. Willy hatte wahrscheinlich keine Ahnung, was er alles über ihn wusste. Er hoffte nur, dass der junge Mann seinem Glauben nicht untreu geworden war. Allerdings kehrten seiner Erfahrung nach selbst Menschen, die sich von der Kirche abgewandt hatten, schon bei der nächsten kleinen Krise in ihrem Leben meist zu ihr zurück.
Nein, er hatte einen viel konkreteren Einwand gegen Willy. Er meinte an ihm Zeichen der Gleichgültigkeit und Abgestumpftheit zu entdecken.
Ein ganz bestimmter Vorfall hatte ihn alarmiert, eine Geschichte, die er aus anderer Quelle erfahren hatte. Kurze Zeit nachdem Willy in seine eigene Wohnung eingezogen war, war sein Onkel gestorben. Es schien wiederholt zu Reibereien zwischen den beiden gekommen zu sein, als Willy noch im Haus des Onkels wohnte und politische Ansichten geäußert hatte, die seinem Onkel
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