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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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wer alles in Clarkes Laden verkehrte, hätte man natürlich eine ganze Reihe von Mitgliedern identifizieren können, doch interessierte Father MacGowan sich nicht dafür. Er zog es vor, überhaupt nicht an dem gefährlichen, unheimlichen Tabakladen vorbeizugehen, und wählte deshalb normalerweise einen anderen Weg.
    Doch an diesem Abend hatte der Wind gedreht, und der schnellste Weg führte an Clarkes Geschäft vorbei. Father MacGowan beschloss, so schnell wie möglich daran vorbeizugehen. Er blickte wirklich nur ganz kurz in den kleinen, hell erleuchteten Laden. Im Fenster stand, ebenfalls hell erleuchtet, ein runder Turm aus Pappe, der für Banba Irish Tobacco warb. Durch die Glasscheibe der Tür hindurch sah Father MacGowan verschiedene Gestalten in dem engen Raum vor der Theke stehen, hinter der Clarke saß. Auf einmal stöhnte der Priester leise auf.
    Einer der Männer, die dort standen, war ihm erst vor wenigen Stunden begegnet: Willy O’Byrne.
* 1916 *
    Erst nach der Auseinandersetzung mit dem jungen Ian Law in seinem Büro an einem Januartag des Jahres 1912 begann Sheridan Smith zu dämmern, was für einen schrecklichen Fehler er und viele andere gemacht hatten.
    Als der junge Mann bei der Zeitung aufgetaucht war, hatte der Pförtner ihn zuerst hinauswerfen wollen.
    »Sie können nicht einfach hier hereinplatzen und mit Mr Smith sprechen wollen«, sagte er. »Kennt er Sie überhaupt? Haben Sie einen Termin?« Wäre Sheridan nicht zufällig in diesem Augenblick den Gang entlanggekommen und Zeuge des Wortwechsels geworden, Mr Ian Law wäre nie zu ihm vorgedrungen. Doch Sheridan sah den Ausdruck moralischer Empörung auf seinem Gesicht, nahm ihn mit in sein Büro und fragte ihn höflich nach seinem Anliegen.
    Der junge Mann, ein Facharbeiter, arbeitete auf einer Werft in Belfast. Er war zum ersten Mal in seinem Leben zu Besuch in Dublin und hatte die neueste Ausgabe der Zeitung gelesen. Darin war ein Leitartikel über die Aussichten der irischen Selbstverwaltung enthalten, in Sheridans Augen ein gemäßigter, vernünftig argumentierender Text. Doch der junge Mann war außer sich. Dabei wollte er allem Anschein nach keineswegs unhöflich sein, er war nur höchst empört darüber, dass Sheridan und seine Zeitung die Möglichkeit der Selbstverwaltung auch nur erwägen konnten.
    »Wie kann Ihre Zeitung schreiben, dass wir allen untreu werden sollen, denen wir bisher gedient haben?«, wollte er wissen. »Soll ich mich von meinem König und von meinem Gott abwenden?« Er sagte es mit einer solchen Bestimmtheit und einem solchen Stolz, dass Sheridan ihn bestürzt musterte. »Wir haben die Schlacht am Boyne nicht vergessen«, fuhr der junge Mann fort. »Auch Derry nicht. Unsere Vorfahren haben für die Freiheit gekämpft und mit ihrem Leben dafür bezahlt. Und jetzt fordert Ihre Zeitung mich auf, mich dem Papst zu unterwerfen? Niemals. Das werde ich nie tun. Ich kenne auch niemanden, der dazu bereit wäre.«
    Er war ein ehrlicher junger Mensch, Sheridan spürte es sofort. Bestimmt stammte er aus einer arbeitsamen presbyterianischen Familie. Seine Entrüstung kam von Herzen.
    »Ich glaube nicht, dass die irische Selbstverwaltung Sie in der Ausübung Ihrer Religion einschränken würde«, erwiderte Sheridan. Doch der junge Mr Law betrachtete ihn nur mit Abscheu.
    »Die Selbstverwaltung öffnet Rom Tür und Tor«, sagte er entschieden. »Aber wir werden kämpfen, das versichere ich Ihnen.« Wenig später ging er. Sheridan hatte ihn nicht beschwichtigen können.
    Er dachte noch einmal über ihr Gespräch nach und dabei fiel ihm ein, dass er zwar nicht mit dem Weltbild des jungen Mannes übereinstimmte, dass Law aber trotzdem einen Irrtum aufgedeckt hatte, dem man in Dublin schon seit langem anhing.
    Keiner von denen, die für die Unabhängigkeit Irlands kämpften, hatte sich je Gedanken um Ulster gemacht. Daniel O’Connell hatte immer offen zugegeben, dass er Ulster kaum kannte. Sogar Parnell, der selbst Protestant war, hatte sich nie besonders für die Provinz im Norden interessiert. Seitdem gingen alle wie selbstverständlich davon aus, dass die Protestanten in Irland die Unterdrücker seien und die Insel nach Abzug der Engländer frei sein würde. Niemand dachte daran, dass in Ulster ganz andere Verhältnisse herrschten.
    Schließlich war die protestantische Kirche in den meisten Teilen Irlands die Kirche der protestantischen Oberschicht – schlecht besucht, von Gleichgültigkeit geprägt und mit Kirchengebäuden, die

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