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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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begann.
    »Wollt ihr nach O’Connorville?«
    »Ja!«, antwortete das Publikum im Chor.
    »Wollt ihr
alle
nach O’Connorville?«
    »Jaaaaa!!!«, wiederholte das Publikum, und voller Begeisterung fiel Toby in den Chor ein.
    »Wollt ihr schon
bald
nach O’Connorville?«
    »Jaaaaaaaaaaaaaa!!!!!!!!!!!!!!«
    »Dann erlaubt mir, dass ich diesem Mann da eine Frage stelle!« Jones fuhr herum und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf O’Connor, der sich mit einem großen karierten Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte. Jones wartete, bis Ruhe eingekehrt war. Dann trat er auf den Führer der Chartisten zu und fragte ihn mit lauter, fester Stimme:
    »Feargus O’Connor, was hast du mit dem Geld getan, das diese Menschen dir anvertraut haben?«
    O’Connor fiel vor Verblüffung das Taschentuch aus der Hand. Mit offenem Mund starrte er Jones an, als wäre ihm Mrs. Finch erschienen.
    »Feargus O’Connor, ich verlange Rechenschaft von dir. Im Namen aller Mitglieder unserer Gesellschaft. Was hast du mit unserem Geld getan?«
    Immer noch zeigte O’Connor keine Regung. Der mächtige Körper schien gelähmt, das blasse Gesicht noch weißer als sonst inmitten der struppigen roten Mähne. Nur die Kinnlade zitterte so stark, dass Toby es trotz der Entfernung deutlich sah. Hatte die Rede ihn so angestrengt, oder was war mit ihm los?
    »Zum dritten Mal, Feargus O’Connor! Was hast du mit dem dir anvertrauten Geld gemacht?«
    Toby war empört. Wie kam dieser Mann dazu, dem Führer der Chartisten solche Fragen zu stellen? Das war Majestätsbeleidigung! Er blickte zur Seite, doch Victor begriff offenbar genauso wenig wie er selbst, was da geschah. Fassungslos schaute er zur Tribüne empor, wo O’Connor endlich aus seiner Erstarrung erwachte.
    »Du willst wissen, was ich mit unserem Geld getan habe?«, fragte er mit müder, metallener Stimme, als kehre er aus einem Traum in die Wirklichkeit zurück. »Ich habe es bei unserer Bank deponiert. Was hätte ich sonst damit tun sollen?«
    »So wie es die Vorschriften verlangen?«
    »Genau so, mein Freund. Jedes Pfund, jeden Schilling, jeden Penny.«
    Jones nickte. Es war jetzt so still im Saal wie in einem Schuppen oder Hinterhof der Drury Lane vor Beginn eines Rattenkampfs, wenn die Wetten gemacht waren und die Hunde mit gefletschten Zähnen einander gegenüberstanden.
    Jones erhob abermals seine Stimme. »Wenn tatsächlich, wie du sagst, Feargus O’Connor, alles seine Richtigkeit hat, warum hat dann das Parlament eine Untersuchung unserer Bank angeordnet? Warum wollen die Abgeordneten dann unsere Kontenüberprüfen? Und warum drohen sie uns sogar mit der Schließung? Kannst du uns das erklären?«
    Ein Raunen ging durch den Saal. »Hört! Hört!« Toby blickte rings um sich in lauter verwirrte Gesichter. Wovon war hier überhaupt die Rede? Zu seiner Verwunderung schien O’Connor über die Frage erleichtert.
    »Darum
also fragst du, mein Sohn! Oh, ich begreife!« Er wuchtete seinen massigen Leib in die Höhe und trat zu Jones ans Rednerpult. »Die Strolche! Die Schurken!«, rief er, nun wieder mit seiner kraftvollen Stimme. »Ja, sie haben eine Untersuchung unserer Bank angeordnet. Ja, sie wollen die Konten überprüfen. Ja, sie drohen sogar mit der Schließung. Ich kann euch sagen warum. Sie wollen uns Angst einjagen! … Weil sie selber Angst haben … Sie wollen uns schwächen! … Weil sie sich selber schwach fühlen … Sie wollen uns spalten! … Weil sie selber uneins sind … Aber ich verspreche euch, meine Kinder, das werden sie nicht schaffen. Sie werden an unserer Entschlossenheit zerschellen wie Nussschalen an einem Felsenriff.«
    Beifall brandete auf.
    »Dann bist du dir also keiner Schuld bewusst, Feargus O’Connor?«
    »Welcher Schuld, Ernest Jones? Der Schuld, ein fürsorglicher Vater zu sein? Ein Sachwalter der Arbeiter und fleißigen Menschen in diesem Land? Ein Beschützer der Notleidenden und Schwachen?« Er schüttelte sein Löwenhaupt und breitete die Arme aus, als wolle er das ganze Publikum an sein Herz drücken. »Lasst euch berichten, meine Töchter und Söhne, was ich letzte Woche tat, damit ihr euch selbst überzeugen könnt, wie euer Vater für euch sorgt. Am Montag war ich in London, auf einer Versammlung in der Anker-Taverne. Am Dienstag bin ich nach Manchester gereist, um bis um drei Uhr nachts vor Freunden zu sprechen. Am Mittwoch fuhr ich nach Nottingham, die streikenden Bergarbeiter hatten mich gerufen. Am Donnerstag war ich schon wieder in London, wo

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