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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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ich alle Gelder, die ich in Manchesterund Nottingham eingesammelt hatte, beim Direktor unserer Bank ablieferte. Am Freitag musste ich weiter nach Herringsgate, Prämien verteilen und Ländereien inspizieren, bevor ich am Samstag nach Minster gefahren bin, um unseren Leuten dort fünfundzwanzig Sack Saatweizen zu bringen. In der ganzen Woche habe ich kaum zehn Stunden geschlafen – Strapazen, um einen Mann umzubringen. Aber ich habe es gern getan, weil ich es für euch getan habe! Für meine Freunde, für meine Kinder!« Er warf einen bösen Blick auf Ernest Jones, dann wandte er sich wieder an sein Publikum. »Ihr seht, meine Kinder, mein Gewissen ist rein – so rein wie ein frisch geschöpftes Blatt Papier.«
    Der Applaus, mit dem die Zuhörer O’Connor belohnten, tat Toby so wohl, als würde er ihm selber gelten. Das war die richtige Antwort auf die hinterhältigen Fragen von diesem Jones!
    Doch zu Tobys Empörung gab der Kerl immer noch keine Ruhe.
    »So rein wie dieses hier?«, fragte Jones und hielt ein Blatt Papier in die Höhe. »Diesen Brief«, rief er in den Saal, »habe ich vor zwei Tagen bekommen. Vom Direktor unserer Bank. Von der Bank, die euer Geld verwaltet. Das Geld, das ihr für eure Zukunft in O’Connorville gespart habt.«
    »Ja, und?«, rief jemand. »Was steht in dem Brief? Dass wir unsere Sachen packen und uns auf den Weg machen sollen?«
    »Ich wäre der glücklichste Mensch, wenn ich euch diese Botschaft verkünden könnte. Aber nein, Genossen, ich habe schlechte Nachrichten für euch, schlimme Nachrichten, entsetzliche Nachrichten.« Jones verstummte, bis alle Augen auf ihn gerichtet waren. »Die Bank der Landgesellschaft«, erklärte er dann mit ernster, fester Stimme, »ist zahlungsunfähig. Auf den Konten fehlen riesige Beträge, und keiner weiß, wohin sie verschwunden sind. Die Bank hat darum entschieden, bis zum Abschluss der Untersuchung durch das Parlament alle Zahlungen auszusetzen.«
    Toby hielt den Atem an. Es war, als hätte man gerade die Ratten in die Arena gelassen, und der Wettkampf begann. Ein letzterAugenblick angespannter Stille, dann wurden die ersten Rufe laut.
    »Was willst du damit sagen, Ernest Jones?«
    »Ja, zum Teufel, was hat das alles zu bedeuten?«
    »Los, du musst uns das erklären!«
    »Ich wiederhole es, Genossen«, rief Jones. »Unsere Bank, die Bank der Landgesellschaft, ist zahlungsunfähig! Pleite! Bankrott! Sie kann ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen, weder gegenüber ihren Gläubigern noch gegenüber euch, den Sparern. Das heißt«, fuhr er fort, als er die verständnislosen Gesichter sah, »wenn einer von euch in Not gerät und sein Geld von der Gesellschaft zurückverlangt, weil er krank geworden ist und einen Arzt braucht oder seine Arbeit verloren hat, wird die Bank ihm die Auszahlung verweigern.«
    »Buh!«
    »Schweinerei!«
    »Unmöglich!«
    »Und schuld daran ist ein einziger Mann!«, übertönte Jones die Rufe und Pfiffe. »Derselbe Mann, der behauptet, rastlos für euch tätig zu sein, der euch seine Kinder nennt, seine Söhne und Töchter, doch der euch in Wahrheit belügt und betrügt und hintergeht.« Er drehte sich um und zeigte ein zweites Mal auf den Führer der Chartisten. »Er allein ist schuld, dieser Mann: Feargus O’Connor!«
    Toby blieb vor Entsetzen der Mund offen stehen. Er hörte die Worte, doch konnte er sie nicht begreifen. Feargus O’Connor – ein Betrüger? Sein Idol und Abgott – ein Verräter? Der größte Ire aller Zeiten – ein gemeiner, hinterhältiger Gauner? Während die Pfiffe und Buhrufe immer lauter durch den Saal gellten, starrte er Ernest Jones an, der sich vor O’Connor aufgebaut hatte und ihn in Schach hielt wie ein Jahrmarktsdompteur einen alten zahnlosen Löwen, allein mit seinem ausgestreckten Arm.
    »Ja, dieser Mann ist ein Betrüger«, rief Jones der Menge zu.
    »Statt euer Wohl zu mehren, hat er in seine eigene Tasche gewirtschaftet.Statt Land für euch zu kaufen, hat er euer Geld auf seine Konten abgezweigt. Statt euch in Arbeit und Brot zu bringen, hat er sich an allem versündigt, was euch heilig ist: an eurem Glauben, an eurem Vertrauen, an eurem Geld.«
    Toby hielt es nicht länger auf seinem Platz. »Lüge!«, schrie er, so laut er konnte.
    »Ja, der Junge hat Recht!«, rief ein Arbeiter. »Das kann jeder behaupten!«
    »Ich glaub dir kein Wort, Ernest Jones!«
    »Ich auch nicht!«
    »Beweise!«
    Mit Erleichterung sah Toby, wie immer mehr Leute im Saal Partei für ihn und sein Idol

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