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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Land erfassten, aber war ein einziger Mann: Henry Cole. Seit seiner Rede im Mansion House galt er als außergewöhnliches politisches Talent, mit erstaunlichem Sinn für öffentliche Wirkung. Der Prinzgemahl entband ihn von seinen Aufgaben im Staatsarchiv, damit er seinen Einfallsreichtum, seine Tatkraft und sein Organisationstalent ganz in den Dienst der großen Sache stellen konnte. Einmal pro Woche sprach Cole auf Schloss Windsor vor, um Albert seine Vorschläge und Ideen zu unterbreiten, die dieser ihm in Gestalt von Anordnungen und Empfehlungen wieder mit zurück auf den Weg gab, und alle Zeitungen gingen davon aus, dass er in Kürze zum Sekretär der Königlichen Kommission ernannt wurde, um mit der nötigen Machtfülle und Autorität das Werk voranzutreiben.
    Denn die Zeit drängte. Getragen von der nationalen Begeisterung, hatte die Königliche Kommission den Beginn der internationalen Weltausstellung auf den 1. Mai des Jahres 1851 festgelegt. Bis dahin, kaum anderthalb Jahre, musste im Hyde Park der Ausstellungspavillon entstehen, in dem einhunderttausend Exponate aus der ganzen Welt Aufnahme finden sollten, ein Bauwerk, das siebenmal so groß sein würde wie die Kathedrale von St. Paul’s und viermal so groß wie der Petersdom in Rom. Am 13. März 1850 schrieb die Königliche Kommission den Wettbewerb zur Errichtung des Gebäudes aus, mit einer Einreichfrist von nur drei Wochen. Doch war es überhaupt möglich, fragte die
Times
, ein so gewaltiges Unternehmen in so kurzer Zeit zu verwirklichen?

2
     
    Wie ein Imperator stand Feargus O’Connor da, den rechten Arm erhoben, um seinem Volk den Weg zu weisen. Seit drei Stunden hingen die Menschen an seinen Lippen, ohne zu ermüden, über tausend Mitglieder der Landgesellschaft, die im Ballsaal von Covent Garden zusammengekommen waren, um gemeinsam ihren großen Traum zu träumen.
    »… und darum rufe ich euch zu: Auf nach O’Connorville! Dort werden wir zusammen leben, auf eigenem Grund und Boden, in Freiheit und Frieden, an einem Ort, der weder Ausbeutung noch Unterdrückung kennt, als eine einzige große glückliche Familie. – Ich liebe euch, meine Kinder!«
    Die letzten Worte gingen in einem solchen Getöse unter, dass Toby sie nur noch auf O’Connors Lippen ahnen konnte. Der ganze Saal bebte unter dem Applaus, wie kochendes Wasser brodelte die von Rauch und Schweiß und Alkohol geschwängerte Luft. Männer und Frauen sprangen auf die Tische und stampften mit den Füßen, während Toby so laut klatschte, dass ihm die Hände wie Feuer brannten. Heilige Schauer liefen ihm den Rücken herunter. Denn Feargus O’Connor, sein Abgott und Idol, der größte Ire aller Zeiten, hatte seine Zukunft beschrieben – seine Zukunft im gelobten Land.
    »Vielleicht können wir es schon nächstes Jahr schaffen«, sagte Toby, als der Applaus allmählich verebbte und O’Connor, erschöpft von seiner Rede, auf einen Stuhl sank. »Ich meine, siebenunddreißig Pfund haben wir ja schon eingezahlt.«
    »Und die restlichen dreiundsechzig?«, fragte Victor. »Womit willst du in so kurzer Zeit so viel Geld verdienen?«
    »Mit einer Bratfischbude im Hyde Park.«
    »Im Hyde Park? Wer soll da Bratfisch essen? Vielleicht die Lords und Earls bei ihrem Morgenausritt?«
    »Manchmal staune ich, wie wenig du vom Geschäft verstehst.Hast du noch nichts von der Weltausstellung gehört? Ich baue meinen Stand direkt vor dem Haupteingang auf – eine Goldgrube! Aber sag mal, wer ist denn der da? Hält der auch eine Rede?«
    »Das ist Ernest Jones, O’Connors Stellvertreter aus Manchester.« Toby zuckte die Schultern – ein Stellvertreter seines Idols interessierte ihn so wenig wie der Papst in Rom. Während Jones, ein rosagesichtiger Mann in grauem Stoffanzug, der eher wie ein Gentleman aus der City als ein Arbeiter aus dem East End aussah, ans Rednerpult trat, ließ Toby seine Blicke schweifen. Vielleicht war ja irgendein reicher Pinkel im Saal, der Appetit auf Pfefferminzbonbons hatte? Auch wenn Toby bei der Weltausstellung nächstes Jahr mehr Geld verdienen würde als ein kalifornischer Goldgräber, konnte er im Augenblick jeden Penny dringend brauchen. Er hatte Robert immer noch nicht den verfluchten Schilling zurückgezahlt – im Gegenteil, er war noch tiefer bei ihm in die Kreide gerutscht und hatte höllische Angst, dass Robert ihm schon bald die Rechnung dafür präsentieren würde.
    Er holte gerade sein Schächtelchen aus der Tasche, als Jones auf der Bühne zu reden

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