Die Rebellin
ergriffen.
»Ihr wollt Beweise?« Jones öffnete einen Umschlag und holte ein Dokument daraus hervor, das er für alle sichtbar in die Höhe hielt. »Hier ist eine Urkunde mit dem Siegel der Stadt London. Diese Urkunde, die mir der Direktor unserer Bank zu treuen Händen geschickt hat, beweist zweifelsfrei, dass Feargus O’Connor, in seiner Eigenschaft als Präsident der Landgesellschaft, das gesamte Vermögen der Bank auf seinen Namen eintragen ließ. Neunzigtausend Pfund! Eurer Geld, für das ihr jahrelang geschuftet, für das ihr euren Schweiß und euer Blut und eure Tränen gegeben habt, ist damit sein persönliches Eigentum. Pfund für Pfund, Schilling für Schilling, Penny für Penny. Er allein kann darüber verfügen, er allein kann entscheiden, was damit geschieht.«
Obwohl sich alles in ihm sträubte, konnte Toby nicht die Augen von Ernest Jones lassen. Es war unfassbar! Wie konnte dieser Kerl solche Lügen verbreiten? Über den besten und klügsten und gerechtesten Mann der Welt? Den Führer der Chartisten? Den König der Iren? Niemals würde Toby solche Lügen glauben, und wenn dieser Jones eine ganze Wagenladung von Urkunden und Dokumenten mit dem Siegel der Stadt London vorzeigen würde. Doch dann sah Toby Feargus’O Connor, und dieser eine Blickbesagte mehr als alle Beweise der Welt. O’Connor war weiß wie eine Wand, die breiten Schultern hingen schlaff und hilflos wie bei einem altem Mann herab, und sein mächtiger Brustkorb, der sich vor wenigen Minuten noch gewölbt hatte wie ein Segel im Sturm, war in sich zusammengesunken wie ein Windsack bei Flaute.
»Ich habe das alles doch nur für euch getan«, erhob O’Connor klagend seine Stimme. »Um Schaden von euch abzuwenden, um euch vor unseren Gegnern und Feinden zu schützen. Ich habe sogar dem Direktor, demselben Mann, der mich jetzt vor euch verleumdet, monatelang sein Gehalt bezahlt, aus meinem eigenen Vermögen. Ja, die Bank war in Schwierigkeiten … Darum habe ich zugestimmt, die Zahlungen auszusetzen, aber nur vorübergehend … Ja, uns drohte die Auflösung der Gesellschaft … Darum habe ich mich entschlossen, alles auf meine Schultern zu nehmen, habe eure Konten unter meinem Namen weitergeführt. Damit ihr in Ruhe leben und arbeiten und schlafen konntet, ohne euch um eure Zukunft zu sorgen.« Seine Stimme versagte, er zitterte am ganzen Körper, und als er weitersprach, war seine Stimme von Tränen erstickt. »Glaubt ihr denn, ich wollte euch betrügen? Euch hintergehen und berauben? Ich bin doch euer Vater und habe nur getan, was meine Pflicht für euch zu tun mir befahl. Zu eurem Wohl und Glück! Für euch und eure Zukunft in O’Connorville! Ihr seid doch meine Kinder, meine Töchter und Söhne!« Er riss mit beiden Händen seinen Rock auf, sodass ihm die Knöpfe vom Revers platzten, und stellte sich mit offener Brust vor seine Zuhörer hin, als wollte er sich ihnen ausliefern. »Seht mich an, euren Vater! Seht in mein Gesicht! Seht in meine Augen! Kann ich euch belügen?«
Toby ertrug den Anblick nicht mehr. Beklommen schaute er zu Boden, während der ganze Saal um ihn her in Schweigen zu versinken schien. Doch das Schweigen dauerte nur wenige Sekunden. Dann brach die Empörung aus der Stille hervor wie Donner und Blitz aus einem Wolkengebirge.
»Dieb! Betrüger!«
»Ich will mein Geld zurück!«
»Ich auch! Ich auch!«
»Jetzt! Sofort!
»Auf der Stelle!«
Plötzlich drängte und stürzte alles zur Tribüne, Dutzende, Hunderte von Menschen, die einander stießen und quetschten, weil jeder als Erster zu dem Mann vordringen wollte, an den sie geglaubt und dem sie vertraut hatten. Wie von einer brodelnden Meereswoge wurde Toby von der Menge erfasst, und während die Leiber ihn fast erdrückten, wurde er in die Richtung des Podiums geschoben, wo er über den Schultern und Köpfen der unaufhaltsam vorwärts drängenden Menschen immer wieder O’Connor auftauchen sah, der seine Börse geöffnet hatte, um alles Geld daraus unter die wütende Menge zu streuen.
»Da!«, rief er mit überschnappender Stimme. »Ihr sollt alles haben, was ich besitze. Ich schenke es euch. Weil ich euch liebe! Weil ihr meine Kinder seid!« Er warf die leere Börse in den Saal, riss sich Rock und Weste vom Leib, Angst und Irrsinn im Gesicht. »Folgt mir nach, meine Kinder! Auf nach O’Connorville! Da werden wir leben, auf eigenem Grund und Boden, in Freiheit und Frieden!«
Schreie und Pfiffe waren die Antwort, während O’Connor mit ausgebreiteten
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