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Die Rebellin

Die Rebellin

Titel: Die Rebellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Stampfen, bei dem die Dekorationen von den Wänden zu fallen drohten. Doch niemand klatschte so leidenschaftlich wie Emily. Immer wieder blickte sie hin und her zwischen ihrem Vater und Henry Cole, der strahlend die Ovationen entgegennahm.
    Es dauerte eine Viertelstunde, bis der Applaus sich endlich legte und Albert das Wort ergriff.
    »Mit besonderem Vergnügen stelle ich fest, dass eine von mir unlängst hingeworfene Idee so allgemeinen Beifall findet – ist dies doch der Beweis, dass meine Auffassung von den Bedürfnissen unserer Zeit mit den Überzeugungen dieses Landes vollkommen harmoniert. Darum füge ich heute hinzu: Ja, es ist die Pflicht eines jeden von uns, soweit es nur in seiner Macht liegt, seinen persönlichen Beitrag zur Förderung der Endziele zu leisten, welche die Vorsehung uns aufgetragen hat. Denn in dieser unserer Zeit nähert sich der Mensch der Erfüllung jener großen und heiligen Aufgabe, zu der Gott ihn erschaffen hat: sich die Erde untertan zu machen. Als Gottes Ebenbild muss er seinen Verstand dazu benützen, die Gesetze zu entdecken, nach denen der Allmächtige das Weltall regiert, und die Natur seinen Zwecken unterwerfen, indem er die Gesetze der Schöpfung zur Grundlage seines Handelns nimmt, um sich auf diese Weise in ein Instrument Gottes zu verwandeln.«
    Emily war begeistert und empört zugleich. Begeistert, weil derPrinzgemahl aussprach, was sie in ihrem tiefsten Innern selbst empfand. Und empört, dass Albert so selbstverständlich Anspruch auf eine Idee erhob, die doch das geistige Eigentum Henry Coles war. Sie wollte schon ihrem Ärger Luft machen, da sprach der Prinz die alles entscheidenden Worte:
    »Darum, Ladies und Gentlemen, appelliere ich an Ihren Patriotismus, nicht nur in meinem Namen, sondern auch und vor allem im Namen der Queen: Lassen Sie uns nicht im Stich, verweigern Sie dem Unternehmen nicht Ihre Unterstützung, sondern helfen Sie mit, die Weltausstellung Wirklichkeit werden zu lassen!«
    »Eine Bitte der Königin an die Nation«, flüsterte Sarah an Emilys Seite. »Das können sie unmöglich abschlagen.«
    Wie um ihre Worte zu bestätigen, erhob sich zum zweiten Mal ein Applaus, von dem das Mansion House in den Grundfesten erbebte. Als der Prinzgemahl sich zusammen mit Henry Cole vor der Versammlung verbeugte, nahm Joseph Paxton seine Tochter in den Arm und drückte sie an sich.
    »Er hat es geschafft«, sagte er, wie von einer Zentnerlast befreit.
    »So ein Teufelskerl! Er hat es wirklich geschafft!«
    An diesem Abend willigte Emily Paxton, in einer kleinen privaten Feier im Londoner Stadthaus ihrer Eltern, in die Verlobung mit Mr. Henry Cole ein.

ZWEITES BUCH
Aufbruch ins Paradies
1850

1
     
    Die Idee der »Weltausstellung aller Völker und Nationen« eroberte London buchstäblich über Nacht. Sämtliche Zeitungen der Stadt berichteten am nächsten Morgen von der glanzvollen Versammlung im Mansion House und priesen den Prinzgemahl als Propheten der neuen Zeit. Sogar die konservative
Times
feierte voller Enthusiasmus seine Vision: das Paradies auf Erden, mitten in London, dem rastlos pulsierenden Herzen des Britischen Empires – was für ein Gedanke!
    Noch bevor das Jahr zur Neige ging, rief Albert eine Königliche Kommission ins Leben, die alle politischen und wirtschaftlichen Kräfte des Landes im Zeichen der großen Idee vereinen sollte. Zugleich verpflichtete er sich vor dem englischen Volk, zur Finanzierung des Projekts keine staatlichen Gelder in Anspruch zu nehmen, um jede Verflechtung privater und öffentlicher Interessen auszuschließen.
    In allen bedeutenden Städten des Königreiches bildeten sich lokale Unterstützungskomitees, Damen der Gesellschaft gründeten eigene Fördervereine ebenso wie Handwerker, Manufakturbesitzer und Fabrikanten, und in vielen Rathäusern lagen ledergebundene Kladden aus, in die sich freiwillige Helfer eintragen konnten. Bezahlte Redner zogen durch die Grafschaften, um auf den Straßen und Märkten die Trommel für die Weltausstellung zu rühren, bezahlte Zecher tranken in den Pubs auf das Wohl des deutschblütigen Prinzgemahls, bezahlte Krämer wickelten Butter und Heringe in Abhandlungen über die Vorzüge der geplanten Völkerschau ein, und der Bischof von Oxford, Samuel Wilberforce, forderte die Regierung in einer Kanzelpredigt auf, auch die Arbeiter in das große Unternehmeneinzubeziehen, in Würdigung ihres Beitrags zum Wohlstand und Ruhm der Nation.
    Seele und Motor all dieser Aktivitäten, die bald das ganze

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