Die Rebellin von Leiland 3: Die Gefangene des Tyrannen (German Edition)
lösen, den sie umklammert hatten. Aber kaum dass er sich zu ihr umgedreht hatte, brach er zu ihren Füßen zusammen und weinte wie ein Kind in den Seidenstoff ihres Kleids hinein.
»Ich kann das nicht! Ich bin zu böse! Es wird mir nicht gelingen.«
Die Mutlosigkeit ihres Mannes entwaffnete Imma. Wie konnte er zugleich so stark und so verletzlich sein? Sie bemerkte, dass auf dem Tisch ein Brief lag, neben einem kleinen, alten Buch mit kunstvoll vergoldetem Einband. Während sie Jorans braune Haare noch streichelte, hob sie das Papier auf.
Lieber Joran!
Wie Du weißt, haben Cedric, Eline, Philip und Elisa Andin und mir vorerst den Thron von Leiland überlassen. Du warst der Erste, der darüber gelacht hat, da Du sehr gut weißt, dass wir nicht zum Herrschen geschaffen sind. Wir verfügen nicht über die Weisheit und die Kenntnisse, die notwendig sind, um ein Königreich zu lenken, das sich mitten im Wiederaufbau befindet. Also habe ich in meinem Gedächtnis gekramt, wer wohl an unserer Stelle darüber verfügen könnte.
Wer hat mir seit meiner Kindheit immer kluge Ratschläge erteilt? Wer hat alle Bücher der Welt des Ostens gelesen und auswendig gelernt? Wer hat mehr Erfahrung und Wissen als irgendein anderer Mensch hier? Wer wäre darüber hinaus in der Lage, Enkils Memoiren fortzuschreiben? Du, mein Lehrmeister und Mentor.
Ich bin nicht die Einzige, die all das denkt. Wir haben uns alle abgesprochen, bevor wir die Entscheidung gefällt haben. Sogar der König von Pandema war damit einverstanden. Er ist bereit, Dich in der Regentschaft, die wir Dir antragen, bei jedem Schritt zu unterstützen.
Reg Dich bitte nicht auf, und lehne nicht ab. Du weißt, dass ich Recht habe. Das hier ist eine viel größere Chance als die, die Dir die Feen eingeräumt haben. Ich weiß, dass Du niemanden enttäuschen wirst. Vor langer Zeit lebte einmal ein Mann, der um den Preis des Blutes und Unglücks eines Volkes König sein wollte. Zeig ihm, dass es möglich ist, gut zu sein und in Frieden zu herrschen.
Versuch nicht, uns einzuholen, wir sind schon weit fort. Vergib mir, dass ich Dir all dies nicht ins Gesicht gesagt habe, aber Dein Geschrei hätte jedes Gespräch unmöglich gemacht. Die Prinzen und Prinzessinnen dieses Königreichs sind nicht feige, sie benötigen nur Freiheit. Lass sie leben, lass sie glauben – lass uns fliehen. Wir werden zurückkehren.
Mögen die Gottheiten Dich begleiten
Elea.
Imma legte den Brief wieder beiseite und nahm Jorans Kopf in die Hände. Sie hatte ihre besondere Fähigkeit behalten und wusste besser als irgendjemand sonst, was Joran wert war, seit er kein Tier mehr war.
»Du bist nicht böse, mein Geliebter. Ich bin sicher, dass du es schaffen wirst.«
Sie spürte, dass er an sich zweifelte, ja, sogar die Tatsache infrage stellte, dass er kein Ungeheuer mehr war. Sie kniete ihrerseits vor ihm auf dem Wollteppich nieder.
»Du bist ein Mensch, Joran, der beste, den es gibt«, sagte sie und lächelte ihm ins Gesicht. »Ich… Ich bin schwanger.«
Das ehemalige Monster war fassungslos. Imma hatte seiner Wut und seinen Klagen ein Ende gesetzt.
»Ich glaube, es wird ein Junge«, fuhr sie schüchtern und leise fort.
Sie streichelte Jorans noch immer verblüfftes Gesicht. Ihre Hände strichen über seine trockenen Wangen.
»Ich schaffe das nicht«, stammelte er.
Imma schenkte ihm ein sanftes Lächeln.
»Wir sind zu zweit. Zusammen ist es immer einfacher.«
Sie drückte zärtlich ihre vollen Lippen auf Jorans. Er stand noch immer unter dem Eindruck der beiden aufeinander folgenden Überraschungen, doch er ließ sich von dem Kuss betören. Imma würde für ihn immer eine Hexe bleiben. Und je enger er sie an sich zog, desto mehr gewann er seine Kraft und Würde zurück. Bald würde er Vater werden. Regent war er jetzt schon und war doch noch nicht ganz in seinem neuen Leben als bloßer Mensch angekommen. War er wirklich wieder einer?
Die Monde standen hoch am Himmel. Leiland hatte seinen Frieden zurückgewonnen. Joran ebenfalls. Er war wieder aufgestanden. Immas gekräuseltes Haar ruhte an seiner Brust. Er zupfte sich das safrangelbe Wams zurecht, um eine gute Figur zu machen: Nun war er bereit, alle Verantwortung auf sich zu nehmen, die so unvermittelt auf ihn einprasselte. Und sei es nur aus Trotz. Dennoch warf er durchs Fenster einen schiefen Blick über die weißen Umfassungsmauern der Burg hinaus. Er malte sich aus, wie er Andin und Elea den Hals umdrehte und sie zurückholte, um sie
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