Die Rebellin
grünen Kastens. Nikolaos hatte also das Geheimnis, das er dem Popen in dem Brief verraten hatte, gut gehütet.
Pappas Mavros zitterte innerlich, als er an die Verantwortung dachte, die ihm das Wissen um die Zeusstatue auferlegte. Eine Ehre, die zum Fluch werden kann, dachte er und musterte die Gesichter der Mavrojenous-Brüder. Welch eine Enttäuschung, dachte er, Nikolaos' Söhne sind ungeeignet, haben zu lange im Ausland gelebt, sind satt und bequem und interessieren sich nur für ihre Latifundien. Auch fehlt es ihnen an Verstand, Einsicht und Weitblick, um zu nützlichen Mitgliedern des Geheimbunds heranzureifen. Wie bedauerlich, dass der einzige Nachkomme mit Feuer, Schwung und Energie ein Mädchen ist!
Nikolaos hatte große Stücke auf Mando gehalten, ihren wachen Verstand gelobt und ihm in jenem Brief ans Herz gelegt sie für die gemeinsame Sache zu gewinnen. Er kenne seine Tochter, hatte er geschrieben, sie sei anders als andere Frauen, eigentlich schlüge in ihrer Brust das Herz eines Palikaris, eines Kriegers. Aber das war wohl eher der Wunschgedanke eines Vaters, den seine drei Söhne enttäuscht hatten, dachte Pappas Mavros. Mando mochte ja intelligent, gebildet und geistreich sein, aber sie blieb eine Frau und war somit politisch nutzlos. Man konnte eine Frau nicht in geheimer Mission auf Reisen schicken, man durfte sie auch nicht den Gefahren aussetzen, die das Wissen über die Bewegungen der so genannten Hetärie der Freunde mit sich brachte. Er fand es unglaublich, dass Nikolaos seine Tochter sogar im Degenfechten hatte unterrichten lassen. Als ob man eine Frau in den Kampf schicken könnte!
Aber er respektierte Nikolaos' letzten Wunsch und überlegte, dass es für ihn selber eine interessante Herausforderung sein könnte, ein Mädchen auszubilden. Wie so viele Priester im Land trotzte er dem von den Türken angeordneten Lehrverbot. In seinem Haus hatte er eine geheime Schule eingerichtet, wo er ausgesuchten Knaben der Insel Tinos das kulturelle Erbe zu vermitteln suchte. Natürlich würde er Mando Privatunterricht erteilen müssen. Als Erstes musste er sich um ihre Sprache kümmern. Sie sprach ein grauenhaftes Griechisch und zu seinem Entsetzen beherrschte sie die Schriftsprache überhaupt nicht. Es war Zeit, dass die ersten Familien des Landes sich wieder ihrer Herkunft besannen! Im Hause Mavrojenous wurde mehr französisch und italienisch gesprochen als griechisch, aber jetzt, wo er, Pappas Mavros, das Sagen hatte, würde es damit vorbei sein!
Auch mit dem jungen Jakinthos Blakaris, der in Paris ausgebildet worden war, hatte sie sich auf Französisch unterhalten! Pappas Mavros fand es höchst bedauerlich, dass so viele Exilgriechen die Muttersprache nur mangelhaft beherrschten. Allerdings hatten es viele Griechen in fremden Ländern zu hohem Ansehen gebracht. Zum Beispiel der in Korfu gebürtige Graf Joannis Kapodistrias – eigentlich Giovanni Capo d'Istria – der seit zwei Jahren zusammen mit dem deutschstämmigen Karl Robert Nesselrode dem russischen Außenministerium vorstand und immer wieder zu erkennen gegeben hatte, wie sehr er sich der griechischen Sache verbunden fühle. Der griechischen Sprache wahrscheinlich weniger – die meisten, die der Hetärie angehörten, konnten sich besser auf Russisch verständigen. Ein ziemlicher Skandal angesichts der verbindenden Parole: Griechenland den Griechen – die in allen möglichen Sprachen skandiert wurde, aber kaum auf Griechisch! Wie sollte man da das einfache Volk mobilisieren, es davon überzeugen, dass man das Joch der fast vier Jahrhunderte währenden Fremdherrschaft abschütteln musste? Die Zeit war reif, die Hagia Sophia in Konstantinopel wieder dem griechischen Mutterland zuzuführen. Pappas Mavros wusste, dass seine Landsleute schon jetzt gute Chancen hatten die Türken auf dem Meer zu besiegen. Ironischerweise war dies sogar den Osmanen selber zu danken, die den Griechen im Handelswesen relativ freie Hand gelassen hatten. Das bedeutete, dass die Handelsflotte einen gewaltigen Aufschwung nehmen konnte. Da die Meere von Piraten unsicher gemacht wurden, hatten die Reeder ihre Handelsschiffe ordentlich mit Kanonen bestücken müssen. Zurzeit gab es 600 Einheiten mit 17.000 Matrosen und 6.000 Kanonen. Damit ließe sich etwas anfangen.
Aber es ging nicht nur um Material. Das Volk musste aus seiner Lethargie aufgerüttelt werden und bestimmte Menschen mussten gezielt erzogen werden, um die Revolution in Gang zu bringen. Pappas Mavros
Weitere Kostenlose Bücher