Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
Playlist gefunden hatte. Als die ersten Akkorde den Raum erfüllten, schloss ich die Augen und atmete tief durch. Allmählich taten die Gitarrenklänge ihre Wirkung, und der Blick meines Vaters, sein Spott und sein Misstrauen verloren an Schärfe. Mit den Klängen ließ ich die düstere Wirklichkeit hinter mir und floh in eine hellere Welt.
Ich nahm den ePen vom Nachttisch und ließ den Deckenbildschirm über meinem Bett aufleuchten. Mein Laserpinsel bemalte die leere Leinwand mit Farben. Ich zeichnete den Vogelschwarm, den ich heute gesehen hatte, um mir das Bild einzuprägen, wiedie Vögel pfeilförmig über den Himmel geflogen waren. Dazu schrieb ich Worte, die in meinem Kopf auftauchten und dort widerhallten wie ein Mantra: Nicht nur eine kurze Online-Episode … Erst dadurch wurde mir klar, dass ich eigentlich etwas ganz anderes im Sinn hatte als die Vögel.
Ich starrte auf die Worte und meine Gedanken wanderten zu Justin. Wo mochte er jetzt sein und was tat er wohl? Lebte er allein? Oder hatte er Mitbewohner? Vielleicht sogar eine Freundin? Ich ließ den Stift fallen und schnappte mir ein Kissen, um mein Gesicht hineinzudrücken.
Kleine dumme Madeline. Er ist viel zu gut für dich und völlig unerreichbar.
Kapitel 4
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Obwohl man sich jeden Tag des Jahres in der Digital School einloggen kann, ist es üblich, sich das Wochenende freizunehmen. Also saß ich am Samstagmorgen gemütlich in der Küche, schaute auf dem Wandschirm den Wetterbericht und aß mein übliches Frühstück, bestehend aus einem Müsliriegel und einem Proteindrink.
»Hast du schon Pläne für heute?«, fragte meine Mutter, als sie hereinkam.
Ich brach ein Stück von dem Müsliriegel ab und steckte es mir in den Mund. »In New York gibt es eine Lesung mit anschließender Diskussion, zu der ich vielleicht hingehen will. Außerdem habe ich einen Freund in Australien, der Filme schneidet, und sein neuestes Projekt hat heute Premiere. Da könnte ich auch vorbeischauen.« Ich spülte den letzten Bissen mit dem Drink herunter, der nach Orange schmeckte. Dabei fühlte ich, wie Baleys kalte Nase mir ans Bein stupste. Sie saß in Habachtstellung neben dem Tisch und hatte den Blick bettelnd auf mein Frühstück gerichtet.
Mom goss sich eine Tasse Kaffee ein und setzte sich zu mir.
»Ihr Kinder habt heutzutage so viel Auswahl. Überfordert dich diese Cyberwelt nicht manchmal?«
Ich antwortete nicht, denn die Frage war rein rhetorisch gewesen. Mom hatte eine klare Meinung zu diesem Thema, die sie täglich mindestens einmal ins Gespräch einfließen ließ. Manchmal fragte ich mich, wie meine Eltern es aushielten, auch nurgleichzeitig im selben Raum zu sein, ganz zu schweigen von einer jahrelangen Ehe. Während mein Dad daran arbeitete, die ganze Welt zu digitalisieren, war meine Mutter ebenso entschlossen, sie wieder zu vermenschlichen.
»Dein Vater musste heute früh wegfahren«, sagte sie.
Bei dieser Nachricht horchte ich sichtbar auf. Immer, wenn er nicht in der Stadt war, fühlte es sich an, als würde ich kurzzeitig von der Leine gelassen, die sich sonst würgend um meinen Hals legte.
Mom bemerkte meine Reaktion und runzelte die Stirn. »Er ist dein Vater, kein Gefängniswärter.« Sie schüttelte den Kopf und fügte hinzu, dass unser Gespräch gestern Abend nicht zu überhören gewesen war.
»Das war kein Gespräch«, sagte ich mit säuerlicher Miene. »An Unterhaltungen sind normalerweise zwei Leute beteiligt, aber das scheint Dad nicht zu verstehen.«
Die einzige Person, die immer zu mir gehalten hat, ist meine Mutter. Sie glaubt, dass die Digital School über das Ziel hinausgeschossen ist und Züge einer Diktatur angenommen hat. Aber gleichzeitig liebt sie meinen Vater und versteht sein Bedürfnis, die Welt in einen sicheren Ort zu verwandeln.
»Ich wünschte, er würde darüber hinwegkommen«, sagte ich. »Großes Ehrenwort, ich werde nie wieder Daten von seinem Computer stehlen.«
Sie nickte. »Ich weiß.«
Meine Mom und ich haben über meine ›rebellische Phase‹ bestimmt eine Million Mal diskutiert. Mit fünfzehn war ich online einer Gruppe von Leuten begegnet, die einen Protest gegen DS planten. Dazu brauchten sie die geheimen Standorte der Funktürme im ganzen Land, von denen aus die Digital-School-Inhalte gesendet wurden. Diese Information besaß nur eine Handvoll Leute und mein Vater war natürlich einer von ihnen.
Ich benutzte den Computer in seinem Büro, um mich in seineDS-Unterlagen zu hacken. Bis heute bin ich
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