Die Rebellion der Maddie Freeman - Kacvinsky, K: Rebellion der Maddie Freeman - Awaken
mir nicht sicher, was mich dazu gebracht hat, ihn so zu hintergehen. Vielleicht war ich tatsächlich nur rebellisch; vielleicht konnte ich der Herausforderung nicht widerstehen, mich zu seinen geheimen Akten vorzuarbeiten. Oder vielleicht spürte ich schon damals tief in meinem Inneren, dass ich etwas Wichtiges verpasste. Ich wollte mein Leben nicht hinter einem Vorhang aus Pixeln verbringen. Draußen gab es eine ganze, riesige Welt, die auf mich wartete, während ich in erdrückender Enge lebte. Also ergriff ich die erste Gelegenheit, um auszubrechen.
Ich schickte den Aktivisten die gewünschten Informationen und glaubte, sie würden die Funktürme benutzen, um eine aufrüttelnde Botschaft an die Schüler und Eltern zu schicken und die Digital School auf diese Weise zu bekämpfen. Stattdessen versuchten sie, die Funktürme selbst zu zerstören und damit das ganze Digitalsystem lahmzulegen. Die Gruppe wurde festgenommen, nachdem sie ein Gebäude am Stadtrand von Portland in die Luft gejagt hatten, von dem aus der ganze Staat Oregon mit DS-Daten versorgt wurde. Vorher aber schickten sie die Koordinaten an andere Aktivisten weiter, die noch zwei weitere Funktürme in Kalifornien zerstörten.
Bald nach den Anschlägen gelang es der Polizei, den Datenstrom bis zum Computer meines Vaters zurückzuverfolgen. Man ermittelte gegen ihn und er hätte wegen Terrorismus und Landesverrat im Gefängnis landen können. Glücklicherweise war für die Aufklärung des Falls ein guter Freund meines Vaters zuständig, nämlich Sheriff Damon Thompson. Also wandte ich mich an ihn und gestand alles, woraufhin sie privat ein Strafmaß aushandelten: drei Jahre auf Bewährung, bis ich achtzehn werde. Wenn ich mich so lange mustergültig benehme, wird Damon die Polizeiakten löschen. Mein Vater und ich müssen erst dann nicht mehr fürchten, dass meine ›rebellische Phase‹ für uns Konsequenzen hat.
Bis dahin wird alles, was ich tue, überwacht. Meine Onlinegesprächewerden mitgelesen, die Websites, auf die ich gehe, werden überprüft. Sogar mein Handy wird abgehört. Mein Vater bekommt jeden Tag einen Bericht über sämtliche Internetseiten, die ich angeschaut habe, und über alle Personen, denen ich begegnet bin. Obwohl niemand es klar ausspricht, wissen Damon, meine Eltern und ich, dass ich beim ersten Verstoß gegen die Bewährungsauflagen in ein Umerziehungscenter geschickt werde, wo Verbrechen gegen die Digital School geahndet werden.
Meine Mutter urteilt weniger hart über mich, weil sie sich teilweise selbst die Schuld an meiner rebellischen Natur gibt. Immerhin hat sie mich stets ermutigt, auch die Welt außerhalb der Bildschirme zu sehen – die Wirklichkeit unplugged, wie sie es ausdrückt.
Nun legte sie ihre Hand auf meine und sagte: »Dein Vater will dir nur beibringen, dass nichts es wert ist, die Menschen zu verletzen, die man liebt.«
Ich schaute sie an und hob die Augenbrauen. »Vielleicht solltest du ihm vorschlagen, auf seine eigenen guten Ratschläge zu hören.«
Unser Gespräch wurde vom Klingelton meines Handys unterbrochen. Ich schaute nach der Anrufernummer, aber sie war unterdrückt. Als ich abnahm, bekam ich fast einen Herzinfarkt, denn die Stimme am anderen Ende gehörte Justin.
»Hey, hast du heute Zeit?«, fragte er. Ich konnte es kaum fassen. Die ganze Woche hatte ich mich bemüht, mich mit der Tatsache abzufinden, dass ich nie wieder von ihm hören würde. Ich hatte sogar seinen Namen aus meiner Chatliste gelöscht, damit sich die Zurückweisung nicht ganz so schmerzhaft anfühlte.
Jetzt öffnete ich den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. Ich war immer noch zu überrascht, dass er meine Telefonnummer herausgefunden hatte. Von mir hatte er sie nicht bekommen und sonst war sie auch nirgendwo gelistet. Dafür sorgte mein Vater schon.
»Madeline?«, fragte er.
Ich nickte, als könne er mich sehen.
»Hier ist Justin«, sagte er.
»Okay«, murmelte ich.
»Heißt okay, die Antwort ist ›ja‹?«, schoss er zurück. Seine Stimme klang herausfordernd.
»Wie bist du an meine Nummer gekommen?«
Er stieß seufzend den Atem aus. »Ehrlich, das war gar nicht einfach. Ein Freund von mir musste sich erst als Hacker betätigen und einen Server knacken, um sie zu finden.«
Ich nahm das Handy vom Ohr und starrte es an. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich ihm. Aber er machte nur Witze. Ganz bestimmt. Bevor ich nachfragen konnte, redete er schon weiter.
»Was hast du heute vor?«, fragte er und kam
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