Die Rebellion
nicht. Du hast schließlich mich.«
Ohnesorg blickte lange schweigend in die blutige Maske ihres Gesichts. »Ja«, sagte er am Ende. »Ich habe dich.«
Mutter Beatrice von den Barmherzigen Schwestern hielt die
Klappe des Hospitalzeltes weit offen, so daß die Sanitäter weitere Verwundete ins Zelt tragen konnten. Nach dem überraschenden Angriff der Rebellen hatte es viele Schwerverwundete gegeben. Das Zelt war bereits bis zum Bersten voll. Es gab
keinen Platz mehr für weitere Feldbetten. Also hatte Beatrice
die vorhandenen Betten hinauswerfen lassen, um mehr Verwundete aufnehmen zu können. Jetzt lagen sie Schulter an
Schulter auf blutigen Laken und stöhnten und schrien und
wimmerten und warteten auf den Tod. Der Gestank von Blut,
Erbrochenem und nackten Eingeweiden war beinahe unerträglich, trotz aller Desinfektionsmittel, die die Schwestern versprühten. Beatrice wußte, daß sie sich nach einer Weile an den
Gestank gewöhnen würde, aber das half ihr im Augenblick
herzlich wenig. Ihr war schwindlig vor Übelkeit, und sie
klammerte sich an die Zeltklappe, um nicht umzufallen. Vielleicht war es auch nur die Hoffnungslosigkeit des ganzen Unterfangens. Beatrice und ihre Leute taten alles, was in ihrer
Macht stand, obwohl sie wußten, daß es für die meisten Verwundeten nicht genug sein würde. Nach Toby Shrecks Bericht
waren Medikamente, Plasma und Schmerzmittel in rauhen
Mengen angekommen, sowohl von der Schwesternschaft als
auch von anderen karitativen Vereinigungen und sogar von den
zögernden Wolfs, aber keine weiteren Ärzte oder Krankenschwestern. Technos III war nicht so bedeutsam, und man benötigte das Personal andernorts dringender. Niemand hatte ein
Blutbad wie dieses erwartet. Beatrice hatte noch nie im Leben
so viele Verwundete von einer einzigen Schlacht gesehen.
Normalerweise starben sie einfach. Die neuen Medikamente
bedeuteten, daß die Schwestern die Verletzten länger am Leben
erhalten konnten, aber das wiederum zog eine größere Belastung für das noch immer beengte Hospitalzelt und die Lebensmittelvorräte nach sich.
Verdammte Rebellen. Verdammte Wolfs. Und verdammte
Beatrice, weil sie hergekommen war und gedacht hatte, etwas
ändern zu können.
Beatrice wischte mit dem Handrücken über ihre verschwitzte
Stirn, ohne zu bemerken, daß sie eine blutige Spur von der besudelten Hand hinterließ. Wenn sie daran dachte, was sie mit
einem richtigen medizinischen Labor und der entsprechenden
Ausrüstung tun könnte, wurde ihr übel, und sie fühlte sich
nutzlos. Also bemühte sie sich, nicht darüber nachzudenken
und im übrigen alles zu tun, was in ihren Kräften stand. Beatrice schob ihre Erschöpfung beiseite und ging zurück ins Zelt.
Zurück in die Hölle. Langsam durchquerte sie das Zelt, stieg
über Tote und Verwundete und half den Ärzten und Schwestern, wo sie nur konnte. Selbst dann, wenn es nur bedeutete,
einem Patienten die Hand zu halten oder eine kühlende Hand
auf eine fiebrige Stirn zu legen. Manchmal mußte Beatrice helfen, einen Mann festzuhalten, während die Ärzte operierten.
Sie sparten die Betäubungsmittel für diejenigen Fälle auf, die
den Schock der Operation sonst nicht überleben würden. Für
schnelle Operationen gaben sie den armen Schweinen in der
Regel nur ein Stück Holz oder sonst etwas, auf das sie beißen
konnten. Um die Schreie so weit wie möglich zu ersticken.
Beatrice machte weiter, half, wo sie konnte, und betete im
stillen zu ihrem Gott, daß er ihr Kraft gab. Die Leichen wurden
im gleichen Augenblick nach draußen getragen, in dem sie zu
atmen aufhörten. Teilweise, weil der Platz für die Lebenden
gebraucht wurde, aber hauptsächlich deswegen, weil die Wolfs
de Körper als zukünftige Organspender zu benutzen gedachten.
Sie hatten für die Dienste der Söldner bezahlt, also gehörten
ihnen jetzt auch die toten Körper. Kein Wolf würde je eine
Möglichkeit zum Profit übersehen. Selbstverständlich würde
keiner der armen Bastarde hier davon profitieren. Transplantate
waren der Offiziersklasse vorbehalten. Beatrice biß die Zähne
zusammen, um nicht laut zu fluchen. Oder zu schreien. Es war
äußerst wichtig, daß sie einen ruhigen, zuversichtlichen Eindruck erweckte. Sie mußte so tun, als hätte sie alles unter Kontrolle. Die Patienten brauchten diesen Glauben. Die armen verdammten Schweine.
Beatrice ging weiter. Ihre Schuhe platschten durch große Lachen von Blut und anderen Körperflüssigkeiten.
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