Die Rebellion
meine Liebe, du hast überhaupt kein Herz«, sagte
Ohnesorg und wandte sich ab, um erneut die Führung zu übernehmen.
»Verdammt richtig«, stimmte Ruby ihm zu. »Ein Herz ist nur
im Weg, wenn es um wichtige Dinge geht. Wie zum Beispiel
Leute umbringen und Beute machen. Und jetzt setz endlich
deinen alten Arsch in Bewegung, Sturm, sonst trete ich dir hinein, daß er dir zu den Ohren wieder herauskommt.«
Sturm schniefte indigniert und tat, wie ihm geheißen. »Eines
Tages wirst auch du alt sein, mein Mädchen.«
»Das bezweifle ich stark«, erwiderte Ruby. »Und dein Mädchen bin ich schon lange nicht.«
»Das ist zumindest sicher«, sagte Ohnesorg.
Die Ehrwürdige Mutter Beatrice von den Barmherzigen
Schwestern rannte über die Metallwüste. Ihre Robe flatterte im
Wind. Beatrice kochte in der Sommerhitze bei lebendigem
Leib, und das Atmen schmerzte in den überanstrengten Lungen, aber sie wagte nicht, langsamer zu werden. Investigator
Klipp konnte nicht weit hinter ihr sein. An der Ostseite der
Fabrik war ein Kampf entbrannt, wie es aussah, ein weiterer
Angriff der Rebellen, und das bedeutete, daß sie nicht auf direktem Weg zur Zeremonie rennen konnte, wie ursprünglich
geplant. Beatrice würde die Fabrik durch das kleinere Westtor
betreten und sich einen Weg nach Osten und zur Zeremonie
suchen müssen. Das war vielleicht sogar besser. Klipp würde
sie früher oder später sicher eingeholt haben, aber im Wirrwarr
der Maschinen und Gänge könnte Beatrice ihre Verfolgerin
vielleicht abschütteln. Neue Kraft floß in ihre Beine, als sie
nach Westen davonrannte.
Die meisten der Wachen waren verschwunden, entweder, um
der Zeremonie beizuwohnen, oder dem Angriff der Rebellen zu
begegnen, doch drei Jesuiten in dunklen Roben und übergezogenen Kapuzen bewachten den Eingang. Sie sahen dunkel und
bedrohlich aus mit ihren Disruptorpistolen und Schwertern an
den Hüften, aber Beatrice gab einen verdammten Dreck darauf.
Ein Investigator auf den Fersen half dem Verstand auf wunderbare Weise, sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Wie das leibhaftige Entsetzen es eben so an sich hat.
Beatrice kam stolpernd vor den Jesuiten zum Stehen und hob
abwehrend die Hand, um ihren Fragen zuvorzukommen, während sie verzweifelt um Atem rang. Da die Jesuiten nicht im
gleichen Augenblick auf sie zu schießen begonnen hatten, in
dem sie Beatrice erkannt hatten, wußten sie höchstwahrscheinlich nichts von dem Exekutionsbefehl, der über sie verhängt
worden war. Die Ehrwürdige Mutter konnte den Jesuiten nicht
davon erzählen und dann noch auf ihren Schutz hoffen. Sie
würden einfach annehmen, daß sie irgend etwas verbrochen
hatte, wenn ein Investigator hinter ihr her war. Außerdem
glaubten Jesuiten sowieso, daß jeder irgendeines Verbrechens
schuldig war.
»Jemand ist hinter mir her«, erklärte Beatrice schließlich. »Es
muß ein Rebell sein. Haltet ihn bitte eine Weile auf, während
ich reingehe und Hilfe hole.«
»Nein«, entgegnete der ranghöchste Jesuit. »Wir haben unsere Befehle. Niemand betritt oder verläßt die Fabrik, solange der
Schirm abgeschaltet ist. Ohne Ausnahme.«
»Aber er ist direkt hinter mir! Er wird mich töten!«
»Darüber hättet Ihr nachdenken sollen, bevor Ihr damit begonnen habt, Rebellen in Eurem Hospital zu behandeln«, sagte
der Jesuit. »Was auch immer da vorgeht, ich zweifle keinen
Augenblick daran, daß Ihr Euch die Suppe selbst eingebrockt
habt. Wenn Ihr mögt, nehmen wir Euch in Schutzhaft. Ich bin
sicher, wir finden eine hübsche Zelle für Euch, bis der Kardinal
Zeit hat, Euch zu besuchen.«
»Zur Hölle!« schimpfte Beatrice. »Ich habe keine Zeit für
diesen Mist!«
Beatrice trat dem Anführer der Jesuiten mitten zwischen die
Beine und schwenkte den beiden anderen mit der zerbrochenen
Flasche vor dem Gesicht herum. Die Gotteskrieger wichen
instinktiv zurück, als der Ranghöchste mit einem tiefen Stöhnen zusammenbrach, und Beatrice schoß zwischen ihnen hindurch in die Fabrik. Sie rannte durch die Korridore und
vertraute ganz auf ihre Erinnerung an die wenigen Male, die sie
zuvor bereits hier gewesen war, um nach Medikamenten und
Hilfe durch die Krankenabteilung der Fabrik zu betteln. Jetzt
war es wichtiger als je zuvor, daß sie es bis zur Zeremonie
schaffte. Mit drei wütenden Jesuiten und einem Investigator
auf den Fersen lag der einzig sichere Ort der Welt im Aufnahmebereich von Toby Shrecks Kamera.
Beatrice rannte durch
Weitere Kostenlose Bücher