Die rebellischen Roboter: Science-fiction-Roman
Inzwischen war es fast Mitternacht geworden, und da wir beide wegen der Resignation und mangelnden Begeisterung meines Vaters bedrückt waren, lud Maury mich ein, in seinem Haus zu übernachten. Ich nahm das Angebot gerne an; ich brauchte Gesellschaft.
Als wir ankamen, fanden wir seine Tochter Pris vor, von der ich angenommen hatte, daß sie noch in der Kasanin-Klinik in Kansas City war, unter Obhut des Bundesamtes für Geistige Gesundheit. Pris war, wie ich von Maury wußte, seit ihrem dritten Jahr in der Oberschule ein Mündel der Regierung; routinemäßig durchgeführte Tests in den öffentlichen Schulen hatten ihre ›Dynamik der Schwierigkeit‹ entdeckt, wie die Psychiater das jetzt nennen – in der Umgangssprache ihren schizophrenen Zustand. »Sie wird dich aufmuntern«, sagte Maury, als ich zauderte. »Das ist es, was wir beide brauchen. Sie ist sehr gewachsen, seitdem du sie zum letztenmal gesehen hast. Sie ist kein Kind mehr. Komm schon.« Er zerrte mich an einem Arm ins Haus. Sie saß im Wohnzimmer auf dem Boden und trug eine rosarote, dreiviertellange Hose. Ihre Haare waren kurzgeschnitten, und in den Jahren, seit ich sie zuletzt gesehen, hatte sie abgenommen. Rings um sie lagen farbige Kacheln verstreut; sie war dabei, die Kacheln mit einer großen Zange zu zerbrechen.
»Komm, schau dir das Bad an«, sagte sie und sprang auf. Ich folgte ihr vorsichtig.
Auf die Wand im Badezimmer hatte sie alle möglichen Meeresungeheuer und Fische gemalt, sogar eine Meerjungfrau; sie hatte sie schon teilweise mit Kacheln in allen Farben ausgestattet. Die Meerjungfrau hatte Titten aus roten Kacheln und eine ganz helle Kachel in der Mitte jeder Brust.
Das Panorama faszinierte mich und stieß mich gleichzeitig ab.
»Warum nicht kleine Glühbirnen als Brustwarzen?« sagte ich. »Wenn einer auf die Toilette will und das Licht anknipst, leuchten die Brustwarzen auf und zeigen ihm den Weg.«
Zweifellos war sie durch die Jahre der Beschäftigungstherapie in Kansas City auf diese Kachelorgie gekommen; die Leute vom Bundesamt hielten sehr viel von allem Kreativen. Der Staat hat in seinen Kliniken im ganzen Land buchstäblich Zehntausende von Patienten, die alle eifrig weben oder malen oder tanzen oder Modeschmuck basteln oder Bücher binden oder Theaterkostüme nähen. Und sämtliche Patienten sind unfreiwillig dort, durch Gesetz eingeliefert. Wie Pris waren viele während der Pubertät geholt worden, zu der Zeit, in der die Psychosen auszubrechen pflegen.
Unzweifelhaft ging es Pris jetzt viel besser, sonst würde man sie nicht entlassen haben. Aber sie erschien mir immer noch nicht normal oder natürlich. Als wir gemeinsam zum Wohnzimmer zurückgingen, schaute ich sie mir genau an; ich sah ein kleines, hartes, herzförmiges Gesicht mit einer schwarzen Haarkrone, schwarz umrandete Augen und fast purpurrote Lippen; die ganze Farbzusammenstellung ließ sie unwirklich und puppenhaft erscheinen, irgendwo hinter der Maske, die sie aus ihrem Gesicht gemacht hatte, verloren. Und die Magerkeit ihres Körpers verstärkte diesen Eindruck noch: Mir erschien sie wie eine Totentanzfigur, auf unheimliche Weise belebt, wahrscheinlich nicht durch die übliche Aufnahme von fester und flüssiger Nahrung… vielleicht kaute sie nur Walnußschalen. Aber von einem gewissen Standpunkt aus sah sie gut aus, wenn auch exzentrisch. Mir kam sie allerdings weniger normal vor als der Stanton.
»Schätzchen«, sagte Maury zu ihr, »wir haben den Edwin Stanton bei Louis' Vater gelassen.«
Sie hob den Kopf und sagte: »Abgeschaltet?« Ihre Augen leuchteten mit einer wilden, grellen Flamme, was mich gleichzeitig verblüffte und beeindruckte.
»Pris«, sagte ich, »die Leute vom Bundesamt haben die Gußform zerbrochen, als sie dich behandeln ließen. Was für ein unheimliches, aber doch gutaussehendes Ding du geworden bist, jetzt, nachdem du erwachsen bist.«
»Danke«, sagte sie, ganz ohne Gefühl; schon früher war ihre Stimme völlig tonlos gewesen, egal, in welcher Situation, selbst in großen Krisen. Und so war es noch immer bei ihr.
»Mach das Bett fertig«, sagte ich zu Maury, »damit ich mich hinlegen kann.«
Gemeinsam klappten er und ich das Gästebett im Gästezimmer heraus; wir warfen Laken, Decken und ein Kissen darauf. Pris half nicht mit; sie blieb im Wohnzimmer und zerschnitt Kacheln.
»Wie lange arbeitet sie schon an dem Wandgemälde im Bad?« fragte ich.
»Seit sie aus Kansas City zurück ist. Das ist schon eine ganze Weile her. In den ersten
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