Die rebellischen Roboter: Science-fiction-Roman
ineinander übergehen. Damit mußte man rechnen, da es manchmal gar keinen Fortschritt gibt und manchmal dasselbe Material wiederholt wird. Machen Sie sich darüber keine Sorgen, Rosen.«
»Okay, Doktor«, sagte ich dumpf.
Beim nächsten Versuch – oder was mir in meiner Verwirrung der nächste Versuch zu sein schien – saß ich wieder mit Pris auf einer Bank im Jack London Park von Oakland. Diesmal war sie still und traurig; sie fütterte keine der umherstolzierenden Tauben, sondern saß mit den Händen im Schoß da und starrte auf den Boden.
»Was ist los?« fragte ich und versuchte sie an mich zu ziehen.
Eine Träne lief ihr über die Wange.
»Nichts, Louis.« Sie zog ein Taschentuch aus der Handtasche, wischte sich die Augen und schneuzte sich. »Ich fühle mich einfach wie tot und leer, das ist alles. Vielleicht bin ich schwanger. Ich bin jetzt eine Woche überfällig.«
Ich empfand wilde Freude; ich umarmte sie und küßte sie auf den kalten, teilnahmslosen Mund.
Sie sah mich mit ihren grauen, traurigen Augen an.
»Ich bin froh, daß es dich freut, Louis.« Sie lächelte ein wenig und streichelte meine Hand.
Ich konnte jetzt deutlich erkennen, daß sie sich verändert hatte. Sie hatte Fältchen um die Augen, was ihr einen düsteren, müden Ausdruck verlieh. Wieviel Zeit war vergangen? Wie oft waren wir jetzt zusammengewesen? Ein dutzendmal? Hundertmal? Ich konnte es nicht sagen; die Zeit war für mich dahin, etwas, das nicht strömte, sondern ruckhaft zuckte, ganz zum Stillstand kam und sich dann zögernd wieder aufraffte. Auch ich fühlte mich älter und viel müder. Und doch – was für eine herrliche Nachricht war das.
Als ich wieder in den Behandlungsraum zurückkehrte, berichtete ich Dr. Shedd von Pris' Schwangerschaft. Auch er freute sich. »Sehen Sie, Rosen, wie Ihre Dämmerepisoden „mehr Reife, mehr Elemente verantwortlicher Wirklichkeitssuche zeigen? Die Reifung wird schließlich Ihr richtiges chronologisches Alter einholen, und an diesem Punkt wird das meiste von den Dämmerzuständen abgebaut sein.«
Ich ging ermuntert zu meinen Mitpatienten, um mir ihre Erklärungen und Fragen zu dieser neuen und wichtigen Entwicklung anzuhören. Ich wußte, daß sie viel zu sagen haben würden, wenn sie die Aufzeichnung kannten.
In meiner zweiundfünfzigsten Fugue sah ich Pris und meinen Sohn, ein gesundes, schönes Baby mit den großen Augen von Pris und Haaren wie den meinen. Pris saß im Wohnzimmer in einem Sessel und fütterte ihn aus dem Fläschchen. Ich saß ihnen in einem Zustand völliger Seligkeit gegenüber, so, als hätten mich alle meine Spannungen, meine Ängste und Sorgen endlich verlassen.
»Diese Plastiksauger taugen nichts«, sagte Pris und schüttelte zornig die Flasche. »Sie klappen zusammen, wenn er saugt; vielleicht liegt es am Auskochen.«
Ich trabte in die Küche, um eine frische Flasche aus dem Sterilisator zu holen.
»Wie heißt er, Liebes?« fragte ich, als ich zurückkam.
»Wie heißt er?« Pris sah mich resigniert an. »Bist du noch ganz da, Louis? Fragt mich, wie sein Baby heißt! Er heißt Rosen, genau wie du.« Ich mußte albern lächeln und sagen: »Verzeih mir.«
»Ich verzeihe dir. Ich bin an dich gewöhnt.« Sie seufzte. »Leider.«
Aber wie heißt er nun? fragte ich mich. Vielleicht erfahre ich es das nächstemal, oder wenn nicht, dann vielleicht beim hundertstenmal. Ich muß es wissen, oder es wird alles für mich nichts bedeuten; es wird umsonst gewesen sein.
»Charles«, murmelte Pris dem Baby ins Ohr, »bist du naß?«
Er hieß Charles, und ich war froh; das war ein guter Name. Vielleicht hatte ich ihn ausgesucht; er hörte sich so an. An diesem Tag, als ich nach der Fugue ins GruppentherapieAuditorium hinuntereilte, sah ich eine Anzahl Frauen den Flügel für Patientinnen durch eine Tür betreten. Eine Frau hatte kurzgeschnittene schwarze Haare und war schlank und biegsam, viel kleiner als die anderen Frauen um sie herum. Ist das Pris? fragte ich mich und blieb stehen. Bitte dreh dich um, flehte ich und starrte auf ihren Rücken.
Als sie die Tür erreichte, drehte sie sich einen Augenblick um. Ich sah die Stupsnase, die ausdruckslosen, grauen Augen… es war Pris.
»Pris!« schrie ich und schwenkte die Arme.
Sie sah mich. Sie kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn; ihre Lippen preßten sich zusammen. Dann lächelte sie ganz schwach.
War es ein Phantom? Das Mädchen – Pris Frauenzimmer – war jetzt hineingegangen und verschwunden. Du bist wieder in der
Weitere Kostenlose Bücher