Die rebellischen Roboter: Science-fiction-Roman
Kasanin-Klinik, sagte ich zu mir selbst. Ich wußte, daß es früher oder später dazu kommen würde. Und das ist kein Phantasiegebilde, keine Fugue, gesteuert oder nicht; ich habe dich in der Wirklichkeit gefunden, in der realen Welt, der Außenwelt, die nicht ein Produkt regressiver Libido oder von Drogen ist… Pris, sagte ich mir. Gott sei Dank, ich habe dich gefunden. Ich wußte, es würde eines Tages so kommen.
Ich ging nicht zu meiner Gruppentherapie, sondern blieb in der Halle und wartete.
Endlich, Stunden später, erschien sie. Sie ging durch den Innenhof direkt auf mich zu, das Gesicht klar und ruhig, ein schwaches Glänzen in den Augen, eher belustigt.
»Hallo«, sagte ich.
»Sie haben dich also eingefangen, Louis Rosen«, sagte sie. »Du bist endlich auch schizophren geworden. Es wundert mich nicht.« »Pris, ich bin seit Monaten hier«, sagte ich.
»Nun, wirst du geheilt?«
»Ja«, sagte ich, »ich glaube schon. Ich werde jeden Tag mit gesteuerten Dämmerepisoden behandelt. Ich gehe immer zu dir, Pris, jedesmal. Wir sind verheiratet und haben ein Kind namens Charles. Ich glaube, wir leben in Oakland in Kalifornien.« »Oakland«, sagte sie und rümpfte die Nase. »Manches in Oakland ist schön, anderes scheußlich.« Sie ging weiter. »War nett, dich getroffen zu haben, Louis. Vielleicht begegnen wir uns hier wieder einmal.«
»Pris!« rief ich gequält. »Komm zurück!«
Aber sie ging weiter und verschwand hinter einer Tür.
Als ich sie in meiner nächsten Halluzination wiedersah, war sie entschieden gealtert; ihre Figur war matronenhafter, und sie hatte tiefe Schatten unter den Augen, die nie verschwanden. Wir standen in der Küche und spülten Geschirr; Pris spülte, ich trocknete ab. Ihre Haut wirkte im grellen Licht trocken, mit kleinen, winzigen Fältchen. Sie war nicht geschminkt. Vor allem ihr Haar hatte sich verändert; es war trocken wie ihre Haut und nicht mehr schwarz. Es war rötlichbraun und sehr schön; ich berührte es.
»Pris«, sagte ich, »ich habe dich gestern in der Halle gesehen. Hier, wo ich bin, in der Klinik.«
»Gut für dich«, sagte sie kurz.
»War es wirklich? Wirklicher als das?« Im Wohnzimmer sah ich Charles vor dem 3 D-Farbfernseher sitzen. »Erinnerst du dich an diese Begegnung nach so langer Zeit? War sie für dich so wirklich wie für mich? Ist das hier jetzt wirklich für dich? Bitte, sag es mir; ich verstehe nichts mehr.«
»Louis«, sagte sie, während sie eine Pfanne schrubbte, »kannst du das Leben nicht so nehmen, wie es kommt? Mußt du immer philosophieren? Du benimmst dich wie ein grüner Student; ich frage mich, ob du je erwachsen wirst.«
»Ich weiß einfach nicht mehr, wohin der Weg geht«, sagte ich. »Nimm mich, wo du mich findest«, sagte Pris. »Wie du mich findest. Sei zufrieden damit, stell keine Fragen.«
»Ja«, sagte ich, »das werde ich tun. Ich werde es jedenfalls versuchen.«
Als ich aus dem Dämmerzustand erwachte, stand Dr. Shedd wieder vor mir.
»Sie irren sich, Rosen. Sie können Miss Frauenzimmer hier in der Klinik nicht begegnet sein. Ich habe alle Unterlagen überprüft und niemand dieses Namens gefunden. Ich fürchte, diese sogenannte Begegnung mit ihr in der Halle war ein unwillkürlicher Rückfall in die Psychose; wir erhalten offenbar keine so vollständige Katharsis Ihrer Libidotriebe, wie wir angenommen haben. Vielleicht sollten wir die Anzahl der Minuten gesteuerter Regression am Tag erhöhen.«
Ich nickte stumm, aber ich glaubte ihm nicht. Ich wußte, daß das wirklich Pris gewesen war, in der Halle; es war keine schizophrene Phantasiegestalt.
In der folgenden Woche sah ich sie in der Klinik wieder. Diesmal schaute ich hinunter und sah sie durch ein Fenster der Liegehalle; sie spielte im Freien Volleyball mit einer Frauenmannschaft. Alle trugen hellblaue Höschen und Blusen. Sie sah mich nicht; sie spielte hingegeben. Ich stand lange da und genoß den Anblick; weil ich wußte, daß er real war… Und dann sprang der Ball vom Spielfeld zum Gebäude, und Pris lief hinterher. Als sie sich bückte, sah ich auf ihrer Turnbluse den Namen eingestickt. »Rock, Pris«.
Das war die Erklärung. Sie war hier unter dem Namen ihres Vaters eingeliefert worden, nicht unter ihrem eigenen. Deshalb hatte Dr. Shedd sie nicht in den Listen gefunden.
Ich sage ihm nichts, nahm ich mir vor; ich erwähne bei den Dämmerzuständen nichts davon. Dann erfährt er es nie, und vielleicht kann ich eines Tages wieder mit ihr reden.
Und dann dachte ich:
Weitere Kostenlose Bücher