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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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und auffangen, was ihnen von oben zugeworfen würde. Sie waren insgesamt etwa zwanzig Mann.
    Inzwischen wartete ich bereits zwei Stunden. Immer noch keine Spur von A Ling. Tausende Zuschauer und Anwärter für das Abräumen füllten bereits den Tempelvorplatz. An ihren Augen konnte man sehen, wie sie sich gegenseitig belauerten. Das Dangdut-Orchester spielte mit voller Lautstärke. Die Karussells drehten sich und leuchteten mit ihren Scheinwerfern in den Himmel. Fliegende Händler boten lauthals ihre Waren an. Die Ballonverkäufer brachten ihre Ballons mit dem Daumen zum Knallen. Es herrschte buntes Treiben. Meine Unruhe nahm zu.
    Die Spannung stieg, als sich ein paar Sarong-Leute einfanden. Sie hatten sich wie Ninjas Kapuzen übergezogen, sodass nur die Augen zu sehen waren. Ich hatte den Eindruck, dass das Abräumen diesmal besonders spannend werden würde. Wenig später erschienen chinesische Konkurrenten. Insgesamt waren es nun sechs Gruppen.
    Die Gier stand den Leuten deutlich in den Augen. Sie konnten kaum den Moment erwarten, wenn um Mitternacht der Konfutse-Priester den großen Wasserkrug zerschlagen würde, das war das Startzeichen.
    Mich kümmerte das alles nicht, meine Gedanken waren auf A Ling gerichtet. Wo mochte sie bloß sein? Konnte sie sich nicht vorstellen, wie mir die Sehnsucht das Herz einschnürte?
    Dann erschienen die Malaien, die sich am Abräumen beteiligen wollten. Sie kamen nicht in Gruppen, sondern jeder für sich. Ich wusste warum. Die Malaien haben große Schwierigkeiten, sich selbst zu organisieren. Sie konzentrieren sich nie auf ein Ziel, zum Beispiel darauf, einen Wettbewerb zu gewinnen, sondern verpulvern ihre Energien bei internen Streitigkeiten. Sie lassen sich nichts sagen, und selten gibt es bei ihnen jemanden, der Selbstkritik übt. Sie sind stets unterschiedlicher Meinung und lieben den Streit. Es ist ihnen egal, ob sie ihr Ziel erreichen, Hauptsache, es gelingt ihnen, in einem Streit um Nichtigkeiten ihr Gesicht zu wahren. Nur eines ist sicher, dass nämlich der Dümmste und Ungebildetste am schlausten daherredet.
    Wenn Malaien eine Mannschaft bilden, will jeder der Anführer sein. Deswegen kommen sie zu gar nichts. So war es auch beim Sembahyang Rebut . Jeder Einzelne war auf sich angewiesen, und heimtragen konnten sie vielleicht eine Stange Zuckerrohr, eine Packung Reismehlkuchen, einen einzelnen Socken, einige Puppenköpfe, Kokossetzlinge, die die Sawang verschmäht hatten, eine Luftpumpe – genauer gesagt nur die Dichtung davon – und eine Menge blauer Flecken.
    Mit einem Mal richtete sich die Aufmerksamkeit auf eine große, hagere Gestalt: ein Sawang, den alle verehrten. Er war schon seit Jahren von seinen Leuten beauftragt, das Fung Pu zu erbeuten: das kostbare kleine rote Tuch. Er hieß Bujang Ncas.
    Ich hatte Bujang Ncas schon in Aktion gesehen. Behände wie ein Eichhörnchen sprang er auf einen der Tische. Er wirkte völlig harmlos, hatte mit den anderen, die gierig auf Beute aus waren, nichts gemein. Er würdigte die wertvollen ausgelegten Sachen keines Blickes. Er kümmerte sich nicht um das wilde Geschrei der Menge. Er tanzte gewandt durch das Meer von Gegenständen, ließ seinen scharfen, prüfenden Blick überall umherschweifen und hatte tatsächlich innerhalb kürzester Zeit das rote Tuch erspäht. So ging das immer, gleichgültig, wo es der Priester jeweils versteckt hatte, in den Falten eines Nachthemdes, in einer der hundert Keksdosen, in einem Sack mit Kemirinüssen oder in einer großen Orange.
    Bujang Ncas ließ das Fung Pu in seiner Hosentasche verschwinden, machte einen Riesensatz und landete sanft und lautlos auf dem Boden, als besäße er die geheime Fähigkeit, sich schwerelos zu machen. Eine Sekunde später verschwand er in der Menge. Er lief mit dem kostbaren Wahrzeichen der Hoki davon, eingetaucht in die Dunkelheit, in den duftenden Weihrauch.
    Vom langen angespannten Warten auf A Ling hatte ich Magenschmerzen bekommen, mir taten die Füße weh und mir war schwindlig. Unsinnige Gedanken plagten mich. Ob A Ling wirklich so war, wie ich sie mir die ganze Zeit vorgestellt hatte? War sie womöglich ganz anders? Vielleicht war ich ihr auch völlig egal.
    Mitten in die wirren Gedanken hinein hörte ich plötzlich das Scheppern des Tonkrugs. Ich schrak zusammen und brachte mich, so schnell ich konnte, in Sicherheit, denn die Leute kamen angerannt und stürzten sich auf die großen Tische, als wären sie von Sinnen.
    Dann wurde ich wie in jedem Jahr Zeuge

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