Die Regenbogentruppe (German Edition)
lautete: »Hey, Hokian-Junge, seit wann kann man denn Liebe begreifen?«
Ich stand auf und wandte mich um, blickte auf die grüne Wiese vor unserer Schule. Theatralisch rupfte ich ein paar Blätter von einem Drachenbaum ab, zerdrückte sie und warf sie in die Luft.
»Ich bin zu schüchtern, A Kiong, in ihrer Nähe schmilzt mein Mut dahin. Außerdem bin ich eine unkontrollierte Natur – wenn ich etwas Falsches sage und ihr Vater kriegt Wind davon, kann das Konsequenzen haben, die ich mir lieber gar nicht ausmalen möchte!«
Diese atemberaubenden Sätze hatte ich mehr oder weniger aus der Zeitschrift »Aktuil«, die mein älterer Bruder las, vielleicht waren sie etwas unpassend, aber das kümmerte mich nicht weiter. Syahdan allerdings reagierte auf meine kleine Einlage, indem er leidenschaftlich den Petai-Cina-Baum neben ihm umarmte. Ich bemühte mich, A Kiong hilflos, aber wortreich zu erklären, dass geheime Liebesbotschaften den romantischen Reiz der Liebe erhöhen.
Anscheinend merkte er an meiner Stimme, dass es mir wichtig war. Er war kein besonders gescheiter Schüler, aber er war ein guter Kerl. Soweit es in seiner Macht stand, würde er einen Freund nicht im Stich lassen. Aber da er aus einer Kaufmannsfamilie stammte, wollte er dafür eine anständige Gegengabe haben. Ich sollte erst mal seine Hausaufgaben im Rechnen übernehmen. Mir war es recht.
Danach gab es kein Halten mehr. Mit A Kiongs Hilfe überfluteten meine Liebesgedichte gnadenlos den Fischmarkt. Für A Kiong war das eine Kleinigkeit. Und er freute sich darüber, dass sein Ansehen stieg, weil sich seine Mathematiknoten besserten. Die Beziehung zwischen A Kiong, mir und Syahdan war eine Symbiose wie die zwischen Büffeln und Reihern. A Kiong machte sich allerdings nicht klar, dass durch seine geheimen Botendienste das Verhältnis zu seinem Onkel A Miauw dramatisch gestört werden könnte.
Ich bedrängte A Kiong ständig, mir doch zu berichten, was A Ling für ein Gesicht gemacht habe, wenn sie ein Gedicht von mir bekommen hatte.
»Wie eine Ente, die einen Teich sieht«, sagte A Kiong mit gutmütigem Spott.
Eines schönen Nachmittags im Juli saß ich allein auf einer Bank im Schulgarten und schrieb ein Gedicht für A Ling:
Chrysanthemen
A Ling, sieh doch zum Himmel auf
Bis weit hinauf in die Höhe
Weiße Wolken ziehen zu dir
Bringen dir Chrysanthemen
Als ich das Gedicht in einen Umschlag steckte, musste ich lächeln. Ich konnte gar nicht glauben, dass ich selbst so ein Gedicht geschrieben hatte. Die Liebe vermag wohl Ungewöhnliches hervorzubringen, kann ungeahnte Fähigkeiten und verborgene Eigenschaften wecken, die in uns geschlummert haben, ohne dass wir etwas davon wussten.
21 Mujis, der Mückenjäger im Weltraumlook, erzählte uns, er habe am Vortag das Planungsbüro der Bergbaugesellschaft ausgesprüht und bei der Gelegenheit den Projektplan zur Zinngewinnung gesehen.
»Drei Schaufelradbagger sind im Moment auf die Schule hier gerichtet!«, sagte er mit besorgter Stimme. Er konnte sogar dieIB-Nummern der Bagger angeben: »IB 9, IB 5 und IB 2.«
Die Nachricht war äußerst besorgniserregend. Denn was einem solchen Bagger im Weg stand, wurde rücksichtslos kleingemacht. Bu Mus allerdings machte uns wie gewohnt Mut. Wir sollten einfach beten, dass uns kein Unglück heimsuchte. Und tatsächlich vergaßen wir auch bald die bedrohlichen Bagger. Ich zumal, denn mich beschäftigte eine andere Nachricht.
Als wir vom Kreidekauf zurückfuhren und ich voll Begeisterung in die Pedale trat, sah sich Syahdan die Kreideschachtel etwas näher an, drehte sie um und las:
»Triff mich beim Chiong Si Ku am roten Tempel!«
Das musste A Ling geschrieben haben! Vor Schreck verlor ich die Gewalt über das Fahrrad, wir kamen ins Schleudern und stürzten kopfüber in den Straßengraben. Ich versuchte, mit letzter Kraft die Kreide zu retten, vor allem natürlich die Nachricht. Bu Mus hatte mich schon mehrfach dafür getadelt, wie ich die Kreide behandelte. Syahdan und ich versanken im Schlamm. Die Kreide blieb sauber, wir nicht!
In der Schule angekommen, füllte ich die Kreide um und hob die Schachtel mit der Botschaft auf.
Zu Hause las ich immer und immer wieder, was A Ling geschrieben hatte. Es war eindeutig eine Verabredung. Von welcher Seite ich die Schrift auch las, rückwärts wie Arabisch, von vorn, von oben, von weiter weg, aus der Nähe, im Spiegel betrachtet, mit einer Kerze abgerieben, mit der Lupe geprüft, gegen das
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