Die Regenbogentruppe (German Edition)
Feuer gehalten, mit Mehl bestreut, umgedreht, zwischen die Beine gehalten und kopfüber gelesen, intensiv fixiert, als ob sich dahinter etwa ein verstecktes dreidimensionales Bild ergäbe, der Sinn blieb derselbe: Triff mich beim Fest der Toten Seelen! Es war ein einfacher Satz in unserer Sprache, kein besonderes Idiom, kein Geheimzeichen oder Symbol. Ich konnte es noch immer nicht glauben: Ich, Ikal, sollte nun meine erste Liebe treffen! Es gab keinen Zweifel, die Welt konnte neidisch sein.
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Das Fest der Toten Seelen, Chiong Si Ku oder – auf Indonesisch – Sembahyang Rebut, fand jedes Jahr statt. Es war eine prächtige Zeremonie, zu der sich alle Chinesen versammelten. Selbst die Söhne oder Töchter aus dem Ausland kamen zu diesem Fest in Scharen nach Belitung zurück. Eine Menge Vergnügungen begleiteten inzwischen das alte religiöse Fest, sodass viele Schaulustige angezogen wurden. Man konnte zum Beispiel um die Wette auf Kokospalmen klettern, Karussell fahren und einem malaiischen Orchester zuhören. Chiong Si Ku hatte sich zu einem kulturellen Ereignis entwickelt, das jedes Jahr große Erwartungen weckte. Hier trafen sich die verschiedenen Bevölkerungsgruppen unserer Gemeinschaft: Chinesen, Malaien, Sarong-Leute und Sawang.
Im Mittelpunkt des Interesses aber standen drei riesige Tische von etwa zwölf Metern Länge und einer Breite und Höhe von jeweils etwa zwei Metern. Darauf waren alle möglichen Haushaltsgegenstände, Spielzeuge, Lebensmittel und Speisen aufgetürmt – alles Spenden der chinesischen Einwohner. Es gab Hunderte verschiedener Dinge: Bratpfannen, Radios, Schwarz-Weiß-Fernseher, Kuchen, Gebäck, Zucker, Kaffee, Reis, Zigaretten, Stoffe, Sojasoße, Getränkedosen, Schöpfkellen, Zahnpasta, Sirup, Fahrradschläuche, Matten, Taschen, Seife, Schirme, Jacken, Rüben, Kleider, Eimer, Hosen, Mangos, Plastikstühle, Batterien und alle möglichen Kosmetika. Um Mitternacht durfte sich jedermann etwas davon mitnehmen – oder besser gesagt den Tisch abräumen. Aus diesem Grund wird Chiong Si Ku auch Sembahyang Rebut , »Beten und Abräumen«, genannt.
Die größte Attraktion dabei war das Fung Pu , ein kleines rotes Tuch, das unter all den ausgelegten Sachen verborgen war. Alle waren auf dieses kleine Tuch aus, das Wahrzeichen von Hoki, denn wer es bekam, konnte es für Millionen von Rupiah an die chinesische Gemeinschaft zurückverkaufen.
Die Tische standen vor einer Statue des Geisterkönigs Thai Tse Ya, die aus Bambus und buntem Papier geformt war. Thai Tse Ya war fünf Meter hoch, sein Bauch hatte einen Durchmesser von zwei Metern. Es war eine riesige furchterregende Gestalt. Seine Augen waren so groß wie Wassermelonen, und seine lange Zunge hing weit herunter, als wenn er begierig wäre, die fetttriefenden Spanferkel aufzuschlecken, die reihenweise vor ihm über dem Feuer gedreht wurden. Thai Tse Ya war die Verkörperung der schlechten Eigenschaften und des Unglücks der Menschen. Während des ganzen Nachmittags und Abends kamen die Anhänger des Konfuzius zum Gebet vor der Statue des Thai Tse Ya zusammen.
Ihr gegenüber stand der rote Tempel. Dort würde ich A Ling treffen.
A Kiong kam mit seiner Familie, um dort zu beten. Er lächelte zu mir herüber. Ich lächelte verlegen zurück, denn ich war ziemlich nervös. Ich wusste nicht so recht, wie eine junge Chinesin wohl über einen Malaienjungen vom Dorf wie mich dachte. Und inmitten der vielen Chinesen fühlte ich mich doppelt unsicher. Ob ich nicht besser umkehren sollte? Aber meine Sehnsucht war zu groß, es gab kein Zurück mehr.
Seit dem Abendgebet wartete ich nun auf A Ling. Die Leute strömten in Scharen herbei, um am Sembahyang Rebut und den anderen Vergnügungen teilzunehmen. Aber von A Ling war noch nichts zu sehen. Vielleicht war ich zu früh dran. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, später zu kommen oder überhaupt nicht.
Die wichtigste Rolle beim Chiong Si Ku spielten die Sawang. Ohne sie hätte das Fest seinen besonderen Reiz verloren. Sie hatten jedes Jahr den größten Erfolg, da sie sehr gut organisiert waren. Schon am frühen Nachmittag erkundeten sie fachmännisch, wo sich die wertvollsten Sachen befanden, berieten, von welcher Seite man loslegen musste und wie viele Leute gebraucht würden.
Die Aufgaben waren klar verteilt, die Größten und Stärksten sollten die Gruppen der Konkurrenten abwehren und behindern, damit die Kleinen und Wendigen auf die Tische steigen konnten. Die Übrigen sollten unten bleiben
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