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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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an, Bruce Lee. Und Bruce Lee lächelte zurück, zu uns allen. Als er damals Bu Mus um Erlaubnis fragte, das Poster von Bruce Lee aufzuhängen, hatte Mahar kühn behauptet, das Schicksal sei ein Kreislauf und eines Tages würde uns das Poster gewiss von Nutzen sein. Heute hatte sich diese zweifelhafte Theorie als wahr erwiesen.

 
     
     
    34  Einige Tage nach Mister Samadikuns Inspektion trafen die bestellten Staatssymbole ein. Wir befestigten sie vorschriftsgemäß an ihrem Ehrenplatz. Bruce Lee und John Lennon hatten nichts dagegen. Sie willigten friedlich in den Staatsstreich ein.
    Doch der Frieden war nicht von langer Dauer. Drei Tage später kamen Vorarbeiter der Bergbaugesellschaft in unsere Klasse und baten um Erlaubnis, die Staatssymbole abzuhängen. Sie wollten sich nicht strafbar machen, wenn die Symbole von den Baggern niedergewalzt würden. Sie wussten, dass die Staatssymbole vom Gesetz geschützt waren. Uns jedoch niederzuwalzen, elf Schüler, angestammte Bewohner von Belitung, Bürger der Republik Indonesien, mitsamt einer fast hundert Jahre alten Dorfschule, war offenbar kein Problem. Es gab kein Gesetz, das dies verbot, und es gab auch kein Gesetz, das uns schützte.
    Es kamen immer mehr Maschinen zum Zinnschürfen. Auch die Schaufelradbagger näherten sich. Ihre gefräßigen Schnauzen waren auf unsere Schule gerichtet. Fast zwei Jahre hindurch waren wir dem Druck von Mister Samadikun ausgesetzt gewesen, aber schließlich hatten wir uns durchgesetzt. Gegen die Bergbaugesellschaft war jedoch nicht anzukommen. Hunderte von Jahren hatte sie nach Zinn geschürft, ohne dass ihr jemand Paroli geboten hätte. Und wenn sie wirklich Entschädigung hätte leisten müssen, dann hätten sie aus ihren endlosen Ressourcen schöpfen können. Die Schaufelradbagger zerstörten Gärten, Märkte, ganze Dörfer, ja sogar Regierungsbüros. Eine arme Schule war sowieso belanglos, sie war für die Bergbaugesellschaft ein Nichts.
    Anfangs waren wir Schüler fest entschlossen, auszuhalten und zu kämpfen, mit der Zeit aber wurden wir realistisch. Für die Bergbaugesellschaft waren wir kein Gegner. Pak Harfans Tod schien Bu Mus’ Kampfgeist geschwächt zu haben. Sie bat uns nun öfter, sie zu entschuldigen, und zog sich vom Unterricht zurück. Das wäre in den Jahren zuvor undenkbar gewesen!
    In jeder Pause mussten wir mit Entsetzen sehen, dass das halbe Schulgrundstück bereits von Gerätschaften planiert war. Das war die schlimmste Prüfung, die wir bisher zu bestehen hatten. Unsere Verzweiflung nahm von Tag zu Tag zu. Bu Mus hatte ihren Mut verloren. Es gab nur eines, was sie, ebenso wie ihr Vorbild Pak Harfan, mehr fürchtete, als dass die Schule von Baggern zerstört würde. Und das trat schließlich tatsächlich ein.
    *
    Kucai war wieder nicht zur Schule gekommen, es war bereits der vierte Tag in Folge, den er fehlte. Ohne den altbewährten Klassensprecher kam in der Klasse alles durcheinander. Bu Mus fragte seinen Vater. Der erklärte, Kucai sei jeden Morgen zur Schule aufgebrochen. Damit war der Skandal da.
    Nachforschungen ergaben, dass Kucai sich den Kindern aus dem Nachbardorf zum Pfefferpflücken angeschlossen hatte.
    Am Mittwochabend – der Lohn für die Pfefferpflücker war ausbezahlt worden – holte Kucai nach der Koranstunde in der Al-Hikma-Moschee ein Bündel Geldscheine hervor. Er feuchtete seine Fingerspitzen an und zählte die Scheine mehrmals, genau wie der Kassierer im Pfandleihhaus. Natürlich kannte er den Betrag genau. Kein Wort kam aus seinem verschlagen grinsenden Mund. Es war die reine Anstiftung. Darin war er groß.
    Am darauffolgenden Donnerstag war Samson verschwunden. Das war ganz ungewöhnlich, denn donnerstags hatten wir Sport, sein Lieblingsfach.
    Eine ganze Woche kam keine Nachricht von ihm. Erst am nächsten Donnerstagabend kam er zur Koranstunde, dunkelbraun gebrannt und vielleicht noch muskulöser als zuvor. Er war Kopraarbeiter geworden. Aus seinem Sarong zog er eine Flasche.
    »Das neueste Haarwuchsöl aus Pakistan!«, verkündete er stolz. »Sehr teuer!«, betonte er und streichelte das Bild eines bärtigen Mannes auf der Flasche. »Hergestellt aus Eidechsenschweiß! Wahnsinnig stark! Wenn du dir damit die Stirn einreibst, sprießen dir selbst dort die Haare!«, sagte er und rieb an meiner Stirn herum.
    Er knöpfte sich das Hemd auf. Tatsächlich war Samsons Brust schon behaart. Mit Genugtuung nahm er mein Staunen zur Kenntnis. Er knöpfte sein Hemd wieder zu. In den ganzen sechs

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