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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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Rhoma Irama, Bruce Lee und John Lennon waren noch da.
    Durch die Ritzen in der Wand konnte ich Lintang beobachten, der gerade dabei war, Sahara, Flo, Trapani und Harun ein mathematisches Problem zu erklären. Er stand in der prallen Sonne, denn über der Tafel gab es kein Dach mehr. Der Schweiß floss ihm in Strömen über die Stirn, aber er war mit großem Eifer bei der Sache, seine Augen strahlten. Zufällig sah er mich und kam heraus.
    »Hey, du bist es, Ikal!«, begrüßte er mich fröhlich. »Komm rein, lass uns lernen, Mathematik ist faszinierend!«
    Großartig, Lintang störte sich überhaupt nicht am Schicksal unserer Schule, das an einem seidenen Faden hing.
    Ich fragte ihn: »Warum bist du noch da?«
    Er lächelte.
    »Habe ich dir das nicht schon gesagt, Boi ? Ich lerne so lange, bis der heilige Pfeiler der Schule fällt.«
    Der Hauptpfeiler unserer Schule stand noch fest. Dutzende von kleineren Pfeilern ruhten auf ihm. Er war wie der Vater, der die ganze Familie hielt, damit sie nicht unterging.
    »Du siehst es doch selbst, oder? Der heilige Pfeiler unserer Schule steht noch fest.«
    »Aber bald stürzt er um«, entgegnete ich resigniert. Lintang sah mir in die Augen und sagte ruhig: »Ich werde meine Eltern nicht enttäuschen, Ikal. Sie möchten, dass ich weiter zur Schule gehe. Wir müssen Träume haben, hochfliegende Träume, Ikal. Und die Schule ist der Weg, auf dem wir uns ihnen annähern. Gib nicht auf, gib niemals auf!«
    Ich stand wie angewurzelt.
    »Wir müssen unsere Ausbildung fortsetzen, damit unsere Kinder einmal nicht mehr in so eine Schule wie diese hier gehen müssen, damit wir nicht mehr beleidigt und getreten werden können. Hör nicht mit der Schule auf, Ikal, bloß nicht!«
    Ich hatte nicht den Mut, Lintang ins Gesicht zu sehen. Ich hatte nicht das Herz, einem wie ihm in die Augen zu sehen. Ich hielt mir die Blechschüssel, mit der ich auf dem Markt herumlief, vors Gesicht. Ich schämte mich. Ich schämte mich meiner Tränen.

 
     
     
    36  Am Montagmorgen versammelten wir uns unter dem Filicium vor der Schule: Bu Mus, Sahara, Flo, Trapani, Harun, Lintang und ich. Wir warteten auf die Mitglieder der Regenbogentruppe, die desertiert waren.
    Wie Mahar gesagt hatte, war das Schicksal ein Kreislauf, und alles wiederholte sich. So erlebte Bu Mus die gleiche Situation wie damals, als sie am ersten Schultag auf den zehnten Schüler wartete. Sie blickte voller Hoffnung und zugleich besorgt über das Schulgelände.
    Es war schon fast zehn Uhr, aber noch war keiner von den anderen zu sehen. Es herrschte eine drückende Stille. Doch auf einmal hellte sich das Gesicht von Bu Mus auf. In der Ferne wurde A Kiong auf dem Fahrrad sichtbar. Er kam mit beängstigender Geschwindigkeit näher, auf dem Gepäckträger saß Mahar, sein Meister, der ihn dirigierte. Als sie vorfuhren, begrüßten wir sie mit Hurrarufen.
    Nicht lange danach tauchte eine weitere Gestalt auf, die mit King-Kong-Schritten dem Schulgelände zustrebte. In der kurzen Zeit als Kopraarbeiter hatte Samson einen viel männlicheren Körper bekommen. Er kam ganz ruhig daher, kräftig und würdevoll, und trug etwas Kleines, Schwarzes, Haariges auf den Schultern. Als er nahe genug gekommen war, sahen wir, dass das kleine haarige Etwas Syahdan war.
    Wer noch ausstand, war Kucai, unser boshafter Politiker. Wir warteten und warteten, aber der Anführer der Desertation erschien nicht.
    Schließlich ließ uns Bu Mus in die Klasse gehen. Sie war traurig darüber, dass Kucai nicht gekommen war. Sie meinte, sie selbst und wir anderen müssten alles daransetzen, Kucai wieder in die Schule zu holen. Ihre Haltung in dieser Frage war sehr entschieden.
    »Ein Lehrer, dem ein Schüler abhandenkommt, ist wie ein Lehrer, dem die halbe Seele fehlt.«
    Wir dachten, was ist schon ein Schüler, aber Bu Mus nahm das nicht so leicht.
    »Solange ich noch aufrecht stehen kann, darf dieser Klasse kein einziger Schüler abhandenkommen.«
    *
    Von Samson erfuhren wir, dass Kucai den Pfeffergarten nicht verlassen konnte, weil er seinen Lohn im Voraus bekommen hatte.
    Diese Nachricht veranlasste Bu Mus, in der darauffolgenden Woche so viele Näharbeiten anzunehmen, wie sie nur konnte. Von mittags bis abends nähte sie, um das Geld für Kucais Auslösung zusammenzubekommen. In der Zwischenzeit überließ sie Lintang den Unterricht. Uns war es egal, wenn das Klassenzimmer inzwischen eine Art Stall ohne Dach geworden war. Wir kümmerten uns nicht um die Projektfahrzeuge

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