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Die Regenbogentruppe (German Edition)

Die Regenbogentruppe (German Edition)

Titel: Die Regenbogentruppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hirata
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gekommen war, um Ärger zu machen.
    »Bu Mus«, begann er in herablassendem Ton, »muss ich dich daran erinnern, dass die Bergbaugesellschaft ein staatliches Unternehmen ist? Und daran, dass es Gesetze gibt, die sicherstellen, dass ein solches Unternehmen zum allgemeinen Nutzen frei operieren kann?«
    Bu Mus verfügte über ein riesiges Wissen und große Selbstbeherrschung.
    »Allgemeiner Nutzen?«, fragte sie. »Herr Bergwerksdirektor, muss ich Sie daran erinnern, dass das Recht auf Bildung im Grundgesetz unserer Republik niedergelegt ist? Soweit ich weiß, ist das Grundgesetz die höchste Rechtsinstanz. Soll ich Ihnen den entsprechenden Artikel nennen?«
    Das brachte den Bergwerksdirektor aus dem Konzept. Er hatte Bu Mus unterschätzt. Jetzt traf es ihn wie ein Stein. Dabei hätten ihm die Erfahrungen des Teamleiters und des Bauleiters verraten können, dass mit Bu Mus nicht zu spaßen war.
    »Wenn Sie auf ihren Plänen beharren, binden wir uns an der Schule fest.«
    Der Bergwerksdirektor hätte am liebsten auf den Tisch gehauen und seinem Ärger Luft gemacht, aber er wusste, dass der Reporter in der Ecke bereit war, ein Foto zu schießen, das mit Sicherheit am nächsten Tag auf der Titelseite der Zeitungen erscheinen würde. Die Schlagzeile würde heißen:
    »Funktionär der Bergbaugesellschaft springt übel mit armen Leuten um« oder »Bergwerksdirektor kennt das Grundgesetz nicht«.
    Er war in die Enge getrieben. Er musste zugeben, dass Bu Mus recht hatte, und er fürchtete die Presse. Der Reporter hatte schon genug von seinem Auftritt unter dem Dach einer traditionsreichen islamischen Schule mitbekommen. Wir wissen alle, dass es zwei Dinge gibt, gegen die man machtlos ist: Gott und die Presse.
    *
    Tatsächlich erschien am nächsten Tag in der lokalen Presse ein Bericht über unseren Widerstand, und sofort war unsere Schule, die windschiefe Koprascheune, überall bekannt. Aufgeregt sprachen die Leute über das junge Mädchen, das den Mut hatte, dem König entgegenzutreten, und die elf Schüler, die plötzlich zu vorbildlichen Helden geworden waren. Der Bericht des Reporters weckte große Sympathie für uns und rief die unterschiedlichsten Meinungen hervor, die an den Kaffeebuden heiß diskutiert wurden.
    In kürzester Zeit verbreitete sich – an den Kaffeebuden natürlich – die Geschichte, dass Bu Mus in Wirklichkeit eine Staatsrechtlerin wäre, Absolventin einer der besten Universitäten in Jakarta, die sich als Dorfschullehrerin der Muhammadiyah ausgäbe. Um ihre Rolle glaubwürdiger zu machen, arbeite sie als Näherin. Und Pak Harfan wäre Professor für Fahrradtechnik gewesen, der sich einundfünfzig Jahre lang als armer Lehrer ausgegeben hätte. Um seine Maskerade perfekt zu machen, hätte er in seinem Vorgarten Kassavas angebaut. Wir Schüler wären in Wirklichkeit Kinder reicher Eltern, die sich als Kinder armer Leute tarnten. Wir alle täten das nur, um die Ungerechtigkeit der Bergbaugesellschaft gegenüber der armen Bevölkerung auf Belitung aufzudecken.
    Unsere Schule, die bisher niemand besucht und um die sich niemand gekümmert hatte, war mit einem Mal überlaufen. Politiker, Vertreter der Parteien, Mitglieder der Volksvertretung besuchten uns im Wechsel mit Regierungsvertretern. Sie zeigten sich auf einmal höchst interessiert. Wenn sie bisher auf dem Weg in eines ihrer vornehmen Büros an unserer Schule vorbeigekommen waren, hatten sie uns keines Blickes gewürdigt, keinen Gedanken an unsere Situation verschwendet. Jetzt taten sie, als ob sie eben erst erfahren hätten, dass hier eine Schule stand. Die Zeitungsberichte, das reichhaltige Zinnvorkommen unter unserer Schule und die Möglichkeit, sich als Wohltäter der kleinen Leute aufzuspielen, waren wirkungsvolle Mittel geworden, ihre Blindheit spontan zu heilen. Wie das malaiische Sprichwort sagt: Wo der Honig duftet, summen die Bienen.
    Nun kamen sie und wollten uns verteidigen, wollten uns überall vertreten, in unserem Namen sprechen. Überall traten Wohltäter auf, einige wollten sogar das Gehalt von Bu Mus übernehmen, das die ganzen Jahre nicht bezahlt worden war. Jetzt sollte sie eine Nachzahlung bekommen. Jemand versprach, Lintang ein Stipendium zu geben, andere wollten Harun helfen und ihn in Jakarta untersuchen lassen. Da Bu Mus wusste, dass dies alles nur aus Eigennutz geschah, verzichtete sie in aller Höflichkeit auf diese Art von Hilfe.
    Eine Institution wollte uns unbedingt eine Wasserpumpe schenken, was aber Bu Mus ebenfalls

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