Die Regenbogentruppe (German Edition)
die Lippen. Ihre Freundinnen konnten das nicht mit ansehen.
»Komm schon, Mus, das ist jetzt deine Chance, los, sprich!«, drängte Nurul.
Bu Mus schwieg weiter. Der Chef der Bergbaugesellschaft musterte sie verwundert.
Wir sahen uns gegenseitig an und flüsterten miteinander.
»Bring vor, was du sagen willst, Mus. Was soll denn das?!«, schimpfte Nizam.
Die Dame vom Protokoll bemühte sich, Bu Mus’ Freundinnen zu besänftigen. Kucai war ungeduldig geworden und sah aus, als wollte er Bu Mus das Manuskript aus der Hand nehmen und selbst die Rede vortragen.
»Was haben Sie, Ibunda Guru ?«, fragte Sahara.
Bu Mus rührte sich nicht.
Der Chef der Bergbaugesellschaft ergriff das Wort: »Bitte schön, Ibunda Guru , haben Sie keine Angst, sprechen Sie!«
Bu Mus sah den Direktor an. Ihre Augen waren feucht und sie zitterte. Sie umklammerte die Papiere in ihrer Hand. Es war, als hätte etwas von ihr Besitz ergriffen. Über die vielen Jahre waren wir einander so vertraut geworden, dass wir uns vorstellen konnten, was in Bu Mus vorging. Sie hatte sicher an Pak Harfan denken müssen. Und in diesem Moment musste Bu Mus die Erinnerung an all die Vorkämpfer, die Gründerväter der Muhammadiyah, überwältigt haben, die von der Kolonialmacht bedroht, eingekerkert, gefoltert, verschleppt und umgebracht worden waren, weil sie eine Dorfschule gegründet hatten. Sie wurde mit dem Gedanken nicht fertig, dass sie nun allein die Schule verteidigen sollte, nicht gegen Kolonialherren, sondern gegen ihr eigenes Volk. Tränen stiegen ihr in die Augen, aber sie weigerte sich zu weinen. Bu Mus wollte vor uns nicht schwach erscheinen.
Stille breitete sich aus. Bu Mus holte ein Taschentuch aus ihrer Tasche, in das etwas eingewickelt war. Sie trat auf den Direktor zu und übergab ihm das kleine Bündel.
Sie kehrte auf ihren Sitz zurück.
Der Direktor der Bergbaugesellschaft faltete das Taschentuch auf und fand eine Kreideschachtel. Er öffnete die Schachtel und holte einige Kreidestücke heraus, die zerbrochen waren, kleine Stücke, mit denen Bu Mus schon geschrieben hatte.
»Danke schön, Ibunda Guru «, sagte der Chef der Bergbaugesellschaft.
Wir verabschiedeten uns.
39 Wir kehrten mit leeren Händen zurück. Unser Vorstoß war gescheitert. Bu Mus war im entscheidenden Augenblick ihrer Gefühle nicht Herr geworden. Die Prachtentfaltung des Gedong hatte uns entmutigt und gelähmt. Was alle vorhergesagt hatten, stimmte: Gegen das Gedong und die Bergbaugesellschaft war nicht anzukommen.
Wir mussten uns unserem Schicksal ergeben. Alles, was wir getan hatten, um unsere Schule zu verteidigen, dem Schulinspektor entgegenzutreten, alle unsere Kräfte daranzusetzen, Preise zu gewinnen, den König herauszufordern – alles war vergeblich gewesen.
Wir kamen überein, am folgenden Dienstag zusammenzukommen, um unsere verbliebenen Sachen zu retten, vor allem unsere beiden wundervollen Pokale. Sie waren das einzig Wertvolle, was wir besaßen. Wertvoll allerdings nur für uns selbst. Unter dem Filicium wollten wir voneinander Abschied nehmen. Es war schrecklich.
Als wir jedoch am Dienstag kamen, wunderten wir uns, weil der Maschinenlärm, der uns monatelang terrorisiert hatte, nicht mehr zu hören war. Merkwürdigerweise hatten die Bauarbeiter der Bergbaugesellschaft die Baracken abgebaut, andere Arbeiter waren dabei, das Baumaterial zusammenzupacken, als sollte alles weggeschafft werden. Die Schaufelradbagger, gestern noch nach Osten ausgerichtet, um unsere Schule abzureißen, hatten sich nach Norden gewendet.
Bu Mus lief auf dem Schulgelände auf und ab, um festzustellen, was eigentlich los war.
Eine Luxuslimousine hielt vor der Schule. Ein Herr stieg aus und ging auf Bu Mus zu. Es war der Taikong . Er lächelte sie an und sagte: »Die Leitung der Bergbaugesellschaft hat den Baggerführern befohlen zu wenden.«
Bu Mus konnte es nicht fassen. Sie schlug die Hände vor die Brust, dankte dem Taikong und lief zum Schulhaus. Wir rannten hinterher. Sie hob das Schild unserer Schule aus dem Dreck auf, wo es gelegen hatte, wischte es mit einem Zipfel ihres Kopftuchs ab, bis der Schriftzug wieder zu lesen war und die kleine Sonne mit den weißen Strahlen wieder leuchtete. Unsere alte Schule war wieder zum Leben erweckt worden.
*
Wie glücklich wir waren, unsere Schule wiederzuhaben! Bu Mus zog die rot-weiße Flagge Indonesiens auf dem Schulhof auf. Sie flatterte stolz im Wind, während um uns herum die schwere Maschinerie den
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