Die Reise-Bibel
Eigentlich stammt Bryson aus Des Moines in den Staaten, aber er kann sich, seitdem er 1973 zum ersten
Mal als Rucksacktourist nach England kam, nicht entscheiden, ob er nun in seiner Heimat oder doch besser in Großbritannien
leben soll. Sein erster großer Bucherfolg war dementsprechend auch ›Reif für die Insel‹, in Deutschland ist er vor allem mit
dem beeindruckenden Welterklärer-Kompendium ›Eine kurze Geschichte von fast allem‹ bekannt geworden. Ein Klassiker auch seine
extrem |22| amüsante Auseinandersetzung mit Australien: ›Frühstück mit Kängurus‹. Selten so gelacht.
Chatwin, Bruce
Ebenfalls einer der berühmtesten Reiseschriftsteller der Welt. Seine Losung: »Des Menschen wahres Haus ist nicht das Haus,
sondern der Weg, und das Leben selbst ist eine Reise, die zu Fuß zurückgelegt werden muss.« Chatwin verstand sich als Nomade,
als Mensch ohne festen Wohnsitz, eine Lebensform, die ihm behagte. Mit den bürgerlichen Zielsetzungen hatte der selbstbewusste
Chatwin früh abgeschlossen: »In der Schule war ich ein hoffnungsloser Fall. Rechnen konnte ich auch nicht (…) Es war eine
altsprachliche Erziehung, die Dummköpfe hervorbringt.« Seine Anstellung als Redakteur der ›Sunday Times‹ in jungen Jahren
endete angeblich mit einem lapidaren Telegramm: »Bin für vier Monate fort nach Patagonien.« Da blieb er dann sogar ein halbes
Jahr, um den Brontosaurus zu suchen, erkundete später auch Australien. Seine Auseinandersetzung mit den australischen Ureinwohnern,
den Aborigines, mündete in ›Traumpfade‹ (›Songlines‹ im Original), seinem wohl bekanntesten Buchtitel. Unumstritten war der
Engländer nie, Kritiker werfen ihm vor, die von ihm beschriebenen Kulturen gar nicht richtig verstanden zu haben. 1986 erkrankte
der offen zu seiner Bisexualität stehende Chatwin an AIDS, 1989 verstarb er in Südfrankreich.
[ Menü ]
|23| Reise-Szenen (Teil 1)
Ein junges Paar bucht eine Reise (und erlebt eine Überraschung)
»Na ja, das kommt darauf an …« Tobis Halbsatz endet im Ungefähren. Frau Dammrath seufzt leise auf.
»Aber Sie müssen doch eine ungefähre Vorstellung davon haben, wohin Sie fahren möchten? So die grobe Richtung, wenigstens.«
Elli lacht nervös auf.
»Es wird unsere
erste
gemeinsame Reise!«
»Oh, herzlichen Glückwunsch. Das ist doch sehr schön. Wie wäre es dann vielleicht mit ein paar Tagen Venedig? Sehr beliebt
bei jungen Paaren! Und sehr romantisch …« Frau Dammrath lächelt das junge Glück warm an. Tobi verdreht die Augen.
»Das nun gerade nicht. Ich meine, wir wollen ja nicht gleich heiraten. Wir kennen uns kaum vier Monate!«
Elli blickt ihn leicht verwundert von der Seite an. Klar, sie ist seiner Meinung, so prinzipiell. Aber wie er das sagt. Als
ob man ihm eine Heizdecke verkaufen wollte. Sofort beginnt sie mit einer Verteidigungsrede.
»Ich will gar nicht nach Venedig. Außerdem kann ich diese italienischen Kitscharien mit den Gondeln und diesen Zuckerbäckergebäuden
gar nicht ausstehen, und diese vielen Touristen, total überlaufen. Haben Sie nichts Ruhigeres?«
Kaum hat sie das alles ausgesprochen, bereut sie es bereits. In Wahrheit findet sie Venedig gar nicht sooo kitschig. Im Gegenteil.
Die Bilder, die sie von der Lagunenstadt kennt, haben sie angesprochen und eine Seite in ihr zum Klingen gebracht, die sie
selten zulässt. Tja. Nach diesem Auftritt |24| wird ziemlich viel Überzeugungsarbeit notwendig sein, um Tobi beizubringen, dass sie sich
durchaus
eine Reise nach Venedig vorstellen kann. Eines Tages. Später.
»Wie wäre es dann mit einer Woche Juist? Ich hätte hier ein Angebot einer Hotelkette, die kompetent unterstützte Wellness-Wochen
für junge Paare anbietet. Vier gemeinsame Anwendungen inklusive!« Frau Dammrath hat die prekäre Situation erkannt und gleich
umgeschaltet. Allerdings ohne viel Erfolg.
»Och nee, kein Wellness. Das ist doch Schwuchtelkram!«
Tobi spielt Fußball in einem Verein und obwohl er eigentlich ein ganz umgänglicher, patenter Mensch mit soliden Ansichten
ist, gehört eine gewisse Homophobie zu seiner charakterlichen Grundausstattung. Seine Freundin greift seinen Unterarm und
reckt ihren Kopf leicht vor, sie übernimmt:
»Wo liegt Juist denn überhaupt?«
Elli ist praktisch veranlagt, und gegen Wellness hat sie nichts einzuwenden. Außerdem weiß sie durch die regelmäßige Lektüre
von Frauenmagazinen, dass Anti-Aging auch mit 23 Jahren kein
Weitere Kostenlose Bücher