Die Reise des Elefanten - Die Reise des Elefanten - A viagem do elefante
ihre Mäntel ablegen und sich in ihrem bekannten Glanz präsentieren statt in dieser lächerlichen Aufmachung, in der sie seit dem Verlassen von Genua aufgetreten waren, mit einer kriegerischen Sturmhaube auf dem Kopf und einem Mantel aus grobem Stoff um die Schultern. Diesmal strömten zahlreiche Menschen auf denStraßen zusammen, und wenn der Erzherzog für das beklatscht wurde, was er war, so erhielt der Elefant aus demselben Grund nicht weniger Beifall. Fritz hatte seinen Mantel nicht abgelegt. Er fand, das grobe Kleidungsstück verleihe ihm durch die weite Passform, die eher einem Umhang als einem einfachen Mantel glich, einen Anstrich souveräner Würde, die wunderbar zu Solimans majestätischem Auftreten passte. Wenn er ehrlich war, machte es ihm schon kaum noch etwas aus, dass der Erzherzog ihn umbenannt hatte. Gewiss war Fritz jener klassische Ausspruch unbekannt, der besagt, dass man Römer werden muss, um in Rom zu leben, doch obwohl er keinerlei Neigung verspürte, in Österreich zum Österreicher zu werden, glaubte er, dass es seinem Streben, in Wien ein ruhiges Leben zu führen, entgegenkäme, beim Pöbel so wenig wie möglich aufzufallen, auch wenn er sich vor den Augen der Leute auf einem Elefanten reitend zeigen musste, was ihn gleich von Anfang an zu etwas Besonderem machte. Hier reitet er also in seinen Mantel gewickelt und atmet genüsslich den schwachen Schafsgeruch ein, den der feuchte Stoff verströmt. Er reitet, wie man es ihm auf der Strecke von Valladolid angeordnet hat, nämlich hinter der Kutsche des Erzherzogs, sodass er auf alle, die ihn von weitem erblicken, den Eindruck macht, als zöge er die riesige Schlange von Karossen und Lastkarren, aus denen der Zug besteht, hinter sich her, insbesondere den direkt hinter sich befindlichen Wagen mit den Futterballen und dem Wasserbottich, den der Regen bereits zum Überlaufen gebracht hat. Der Mahut war glücklich, weit zurück lagen die Erinnerungen an die Enge Portugals, wo man ihn im Gehege von Belém zwei Jahre lang förmlich dahinvegetieren ließ, während er die Schiffe aus Indien passierensah und den Gesängen der Hieronymusmönche lauschte. Möglicherweise denkt unser Elefant, falls sein riesenhafter Kopf überhaupt zu so einer Meisterleistung in der Lage ist, Platz genug wäre schließlich, er habe Grund, sich nach dem früheren far niente zurückzusehnen, aber das wäre einzig und allein seiner naturgegebenen Unwissenheit darüber zuzuschreiben, dass die Trägheit der größte Feind der Gesundheit ist. Schlimmer ist nur der Tabak, wie man später sehen wird. Nun jedoch, nach dreihundert Leguas Marsch, und zwar größtenteils auf Wegen, die selbst der Teufel trotz seiner Bocksbeine nicht beschreiten würde, verdient Soliman es nicht mehr, dass wir ihn träge nennen. Vielleicht war er das während seines Aufenthalts in Portugal, doch das ist Schnee von gestern, musste er doch lediglich seinen Fuß auf Europas Straßen setzen, um Energien freizusetzen, von denen er selbst nichts geahnt hatte. Dieses Phänomen lässt sich häufig bei Menschen beobachten, die sich aufgrund ihrer Lebensumstände oder Armut und Arbeitslosigkeit gezwungen sahen auszuwandern. Waren sie in ihrer Heimat häufig apathisch und gleichgültig gewesen, so wurden sie im neuen Land fast von einem Augenblick auf den anderen aktiv und fleißig, als hätten sie Hummeln im Hintern. Ohne zu warten, bis das Lager in der Nähe von Piacenza vollständig errichtet ist, ruht Soliman bereits in den Armen des Elefanten-Morpheus. An seiner Seite schnarcht Fritz unter seinem Mantel wie ein von Gott Gesegneter. Am frühen Morgen erscholl das Horn. Während der Nacht hatte es geregnet, doch nun zeigte der Himmel sich wolkenlos. Hoffentlich ziehen nicht wie gestern graue Wolken auf. Ihr nächstes Ziel ist die bereits in der Lombardei gelegene Stadt Mantua, die aus vielerlei gewichtigen Gründen berühmt ist, beispielsweise wegen eines gewissen Narren am herzoglichen Hofe, genannt Rigoletto, dessen Späße und Missgeschicke der große Giuseppe Verdi später vertonen sollte. Die Karawane wird nicht in Mantua anhalten, um die erhabenen Kunstwerke zu bewundern, die es in der Stadt in Hülle und Fülle gibt. Eine noch größere Fülle findet sich indes in Verona, wohin der Erzherzog die Kolonne angesichts des stabilen Wetters hat weiterziehen lassen, der Stadt, die William Shakespeare später als Szenario für seine most excellent and lamentable tragedy of Romeo and Juliet wählen sollte,
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