Die Reise ins Licht
Gleb geriet in Panik. Tränen strömten ihm wie von selbst aus den Augen.
Der Stalker zog den Jungen zu sich auf den Rücken und legte sich dessen Arme um den Hals.
»Bald wird die Unterkühlung einsetzen, und dann kann ich dir nicht mehr helfen … Aber bevor das geschieht, verspreche ich dir, dass du nicht qualvoll sterben wirst.«
Der Junge fing an, lautlos zu weinen, und vergrub sein Gesicht im Nacken des Stalkers. Er zweifelte nicht daran, dass sein Meister tausend Arten des schnellen Todes kannte. Und dafür war er ihm, so absurd es auch klingen mochte, zutiefst dankbar.
Eine Weile verging. Waren es fünf Minuten, zehn? Gleb wusste es nicht. Sein Gefühl für die Zeit war ihm abhandengekommen. Es war, als wäre sie plötzlich stehengeblieben. Doch dann spürte der Junge plötzlich, wie Tarans Körper zu zucken begann und rasch abtauchte. Gleb gelang es, den Stalker an den Haaren zu packen und ihn, verzweifelt mit den Beinen strampelnd, wieder an die Oberfläche zu ziehen. Die Augen seines Meisters waren verdreht, und sein Gesicht war in einer schmerzverzerrten Grimasse erstarrt. Ein Anfall … Der Junge erinnerte sich nicht daran, wie er sich tastend mit dem Verschluss der Tasche abmühte, dem Stalker das Serum verabreichte und mit letzter Kraft den schweren Körper des Stalkers über den Wellen hielt. Die Verzweiflung hatte seinen Verstand wie ein schwarzer Schleier umhüllt, und nur ein völlig unkindlicher Starrsinn ließ ihn sich weiter und weiter bewegen. Er durfte Taran nicht ein zweites Mal verlieren. Nur nicht das!
»Halte durch! Halte durch, Vater! Bitte!«
20
JENSEITS DES LICHTS
Das Wasser war überall. Wohin man auch schaute – ringsum war nur Wasser. Eisige, lähmende Wellen rollten eine nach der anderen heran und schlugen über seinem Kopf zusammen. Er spürte seine Beine nicht mehr. Sein ganzer Körper war von einer schrecklichen Müdigkeit gefesselt, sein Mund schnappte lautlos auf und zu, wie bei einem Fisch, doch anstelle rettender Luft schluckte er nur eine neuerliche Portion Wasser. Die erschöpften Arme stießen den Körper ein letztes Mal an die Oberfläche, doch eine besonders eifrige Welle schlug ihm verräterisch in den Rücken, und das Licht, das durch die Wassermassen gebrochen war, begann zu verblassen.
Licht? Ein grelles Lichtbündel. Ein Leuchtturm? Nein. Etwas anderes. Danach etwas seitlicher noch eine Lichtquelle. Und noch eine. Schon überfluteten gleißend helle Strahlen die ganze Oberfläche.
»Ich gehe zum Licht …«
Gleb fuhr auf, zappelte wie ein verletztes Tier, sein Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei, und seine Arme streckten sich verzweifelt zur Wasseroberfläche. Etwas Dunkles bewegte sich neben ihm, packte ihn fest an der Hand
und zog seinen Körper zur Oberfläche, hinaus an die Leben spendende Luft. Der Junge hustete verkrampft und spuckte Salzwasser aus. Immer wieder hustete er und röchelte, außerstande, richtig zu atmen. Allmählich ließ das Stechen in seiner Brust ein wenig nach. Mit trübem Blick erkannte Gleb neben sich Tarans bleiches Gesicht. Der Stalker lachte. Das erste Mal, soweit sich der Junge erinnerte. Direkt hinter ihm kam durch den Nebel eine riesige Konstruktion zum Vorschein, die von hellen Feuern umringt war.
Gewaltige Scheinwerfer tasteten mit ihren Strahlen das Wasser ab, auf einer Vielzahl von Decks standen Menschen. Viele Menschen. Sie schienen den gesamten Raum des gigantischen Schiffes auszufüllen.
»Ist sie das? Die Arche?«, krächzte der Junge.
»Sieht eher aus wie eine schwimmende Bohrplattform«, erwiderte Taran und prustete Wasser aus. »Aber meinetwegen ist es auch die Arche! Ich habe nichts dagegen!«
Alles Weitere blieb kaum in Glebs Gedächtnis haften. Nur einzelne Fragmente, wie Bilder einer Fotoreportage, zogen an seinen Augen vorbei. Wie sein Meister nach einem Rettungsring griff und den Jungen näher zu sich heranzog. Wie ihn jemandes Hände auf eine rutschige Steigleiter hievten. Wie man ihn, eingehüllt in eine gute Baumwolldecke, einen langen Gang entlangtrug, dessen Wandleuchten ein gemütliches Licht verströmten. Wie man ihn in einen hell glänzenden Raum brachte, der nach Medikamenten roch. Dann verließen ihn endgültig die Kräfte, ihm wurde schwarz vor Augen, und sein erschöpfter Verstand schaltete sich ab.
Seine Eltern standen ganz nah bei ihm. Er hatte das Gefühl, er brauche nur den Arm auszustrecken und würde sie berühren. Beide lächelten, Arm in Arm, und sahen ihn
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