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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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mir zu gefährlich, erst Elias, dann dieser Brief, wir
müssten uns trennen. Da machte er mir einen Heiratsantrag, er
wollte alles aufgeben, das Geschäft verkaufen und mit mir in eine
andere Stadt gehen.« 
    »Ich kann mir durchaus vorstellen,
dass meine Mutter so einen Brief geschrieben hat«, sinnierte Anna,
»aber ich glaube nicht, dass sie diese Dinge jemals nach außen
zugegeben hätte. Sie besitzt die Fähigkeit, Tatsachen, die sie
nicht wahrhaben will, einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen. Louise
macht es ähnlich, sie tun so, als sei es nicht, wie es ist, sondern
biegen es so hin, wie sie es haben wollen. Bestimmt haben sie
befürchtet, dass die Schande an ihnen hängen bleibt, wenn sie es
der Polizei sagen. Warum hast du Pekka verlassen, anstatt seinen
Antrag anzunehmen?« 
    »Ich hatte plötzlich so entsetzliche
Vorstellungen, was passieren könnte, alle würden ja in
Mitleidenschaft gezogen, meine Mutter, Onkel Eli und natürlich
deine Familie. Pekka als Ehebrecher bloßgestellt, vielleicht vor
der ganzen Elberfelder Gesellschaft, sein Geschäft würde leiden, er
müsste deiner Mutter hohe Summen zahlen und wäre ruiniert. Ich habe
ihn geliebt wie niemals einen anderen vorher, das musst du mir
glauben, aber irgendwann sah ich nur noch die Schwierigkeiten und
bekam furchtbare Angst. Ich dachte an die Demütigung in Köln, so
etwas wollte ich nicht noch einmal mitmachen. Es war ja auch gar
nicht vorstellbar, dass Pekka seinen Laden aufgab, ohne es später
zu bereuen und mich dafür verantwortlich zu machen, es war doch
sein Lebenswerk. Ich dachte, er wird es mir immer vorhalten, wenn
die ganz große Liebe vorbei ist, und sie geht vorbei, Anna, das ist
so sicher wie das Amen in der Kirche. Wenn man Glück hat,
respektiert man sich hinterher und versteht sich gut, wie Freunde,
vielleicht kann man auch ganz gut ein Leben miteinander verbringen.
Aber das konnte ich mir nicht vorstellen bei den starken Gefühlen
zwischen Pekka und mir. Ich dachte, ein Alltag, ein Mittelmaß, das
würde zwischen uns nicht funktionieren. Dann begann er, immer mehr
zu trinken, ich sah, dass es ihm schlecht ging. Andererseits wollte
er alles neu beginnen, er sprach sogar von einem Kind, er wurde
immer unrealistischer, und ich habe einfach nur Angst
bekommen.« 
    Alle verlassen mich, niemand liebt
mehr den alten Pekka.
    »Du wirst es der Polizei sagen
müssen, der Schnauzbart wird sich wahnsinnig aufregen, dass du
nicht gleich damit gekommen bist.«
    »Es hat mich niemand gefragt«, sagte
Lina leise, »das Verhältnis war ja beendet, als Pekka starb.
Außerdem bin ich polizeibekannt, vor einem Jahr habe ich an einer
Demonstration für das Frauenwahlrecht teilgenommen, da haben sie
von uns allen die Personalien aufgenommen. Überleg doch mal, Anna,
so ein Weibsbild, und dann auch noch Ehebruch. Meinst du wirklich,
ich wäre verpflichtet gewesen, von mir aus ins Präsidium zu gehen
und mich selbst zu denunzieren?« 
    Nachdem sie Bremen passiert hatten,
packten sie ihre Sachen zusammen, verriegelten das Abteil und
gingen gemeinsam zur Zugtoilette. Während die eine drin war,
überwachte die andere ängstlich den Gang, aber es zeigte sich kein
Russe, sondern nur ein freundlicher Schaffner, der versprach, sich
in Hamburg um ihr Gepäck zu kümmern.
    Der Altonaer Bahnhof wimmelte von
Menschen, auf den Gleisen schnauften die Lokomotiven. Mit einer
Droschke fuhren sie zum Hotel, das in der Nähe des Hafens lag. Anna
bestellte zum Abendessen Nordseekrabben und Champagner auf das
Zimmer.
    Lina sah durch das hohe Fenster auf
die belebte Straße hinunter, am Horizont waren Schiffsmasten zu
sehen, über denen Möwen
kreisten.       
    »Ich würde es verstehen, wenn du mit
mir nichts mehr zu tun haben willst«, sagte sie leise, »ich habe
dir ein böses und falsches Spiel vorgemacht, ich habe nur an mich
gedacht.«
    Anna umarmte sie. »Blödsinn«, sagte
sie, »natürlich bin ich vollkommen erschüttert, aber nicht über
dich, sondern einfach über die Tatsache, dass es so war, wie es
war. Ich kann dir doch nicht vorwerfen, dass du dich in meinen
Vater verliebt hast. Ich vertraue dir, Lina, wir halten zusammen
und stehen das gemeinsam durch, außer dir kann ich mir keinen
Menschen vorstellen, mit dem ich diese Reise machen
wollte.«
    Der Zimmerkellner rollte einen
gedeckten Tisch herein und schenkte ihnen die Champagnerkelche
voll. Anna prostete Lina zu.
    »Auf Helsinki und darauf, dass wir
alles gut überstehen.«
    Sie machten es sich

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