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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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auf dem Bett
bequem und drapierten die Krabbenbrote und die Champagnergläser um
sich herum.
    »Dass ich mich auf die Sache mit
Pekka eingelassen habe, war verwerflich«, begann Lina wieder, »da
will ich auch nichts dran beschönigen. Aber wenn es so etwas gibt
wie Liebe, die einen überfällt und gegen die man sich nicht wehren
kann, dann war es das zwischen uns. Wir konnten es nicht
beeinflussen, es war magisch, wie ein Strudel, wie das Schicksal
einfach, anders kann ich es nicht beschreiben. Vielleicht wäre es
ganz am Anfang noch zu vermeiden gewesen, vielleicht, wenn ich es
abgelehnt hätte, mit ihm ins Cafe zu gehen. Aber als es einmal
angefangen hatte, war nichts mehr zu machen, da saßen wir drin wie
in einem fahrenden Karussell.«
    »Wart ihr glücklich zusammen?« Anna
flüsterte und hatte das Gefühl, Pekka sitze mit seiner warmen Brust
zwischen ihnen auf dem Bett.
    Lina seufzte. »Ich bin jedenfalls
niemals so glücklich gewesen wie in den Stunden, in denen er bei
mir war. Er kam mittwochs und sonntags gegen Abend, manchmal auch
noch am Freitag, meistens blieb er bis in die Nacht. Ich weiß
nicht, was er zu Hause gesagt hat, ich habe nicht danach gefragt.
Die Liebe mit ihm war vertraut und selbstverständlich, das
Schönste, was ich je erlebt habe«, sagte Lina mit nassen Augen,
»jedenfalls vier Monate lang, dann wurde sie ohne Übergang zu einem
Alptraum.«
    »Hast du denn aufgehört, ihn zu
lieben?«
    Linas Tränen liefen. »Natürlich
nicht, niemals, zu keinem Zeitpunkt. Bevor ich von dem Mord hörte,
hatte ich mir auch überlegt, den Kontakt wieder aufzunehmen, er
schickte mir ja fast täglich Briefe mit Beteuerungen, wie sehr er
mich vermisse. Als es dann passiert war, habe ich sie alle
verbrannt, ich war wie von Sinnen, jeden Augenblick rechnete ich
mit der Polizei, bei jedem Schellen, bei jedem Geräusch dachte ich,
jetzt sind sie da, jetzt haben sie dich. Und dann war ich einfach
nur erleichtert, als du mich fragtest, ob ich mit nach Helsinki
fahre, ich hatte nur den Gedanken: weg aus Elberfeld, weg aus der
Nähe der Polizei.«
    »Du Arme!« Anna nahm Linas Hand und
legte sie an ihre Wange. »Ich vermute übrigens, dass die Polizisten
uns nachreisen, die Spuren nach Helsinki werden ja immer
deutlicher. Aber du musst keine Angst haben. Der eine, der
Kommissar, ist zwar ein Brechmittel, ein Wilhelm, wie er im Buche
steht, aber der Sergeant ist ganz in Ordnung, ein Junger, Hübscher,
ich glaube, ein Sozialdemokrat. Er hat mir sehr beigestanden in den
letzten Wochen, an manchen Tagen waren wir ja ununterbrochen
zusammen. Er ist angenehm, er gefällt mir.« Anna wurde
rot.
    »So, so«, lächelte Lina, »warum
erfahre ich das erst jetzt?«
    »Ach, ich weiß nicht, erst mal habe
ich mich mit ihm gestritten, er wollte nicht, dass wir allein
fahren.«
    »Der Mann, mit dem du nicht
streitest, muss ja wohl erst noch geboren werden, oder?«
    Sie lachten, und Anna schenkte den
Rest aus der Champagnerflasche ein. Ihre Wangen röteten sich, und
sie begann zu lispeln.
    »Wenn er mir nahe kommt, wird mir
ganz anders, heiß und schwach, als würde sich der ganze Körper
auflösen. Oder als wäre man nur noch Körper, ich weiß auch nicht
richtig. Jedenfalls zieht es einem irgendwie die Beine weg. Ich
habe das noch nie erlebt bei einem Mann.«
    »So ist das, wenn man ihnen erliegt,
im wahrsten Sinne des Wortes.«
    »War das bei Papa und dir auch
so?«
    Ein Glanz brach durch Linas
tränengetrübten Blick. »Es war wie ein Rausch, wie ein Sturm, als
wäre ich kopfüber in ein wildes Meer geweht worden und hätte das
Ufer nicht mehr gefunden.
    Zusammen waren wir auf einer
goldenen Insel mittendrin, so, wie er mir die Inseln auf den
finnischen Seen im Sommer beschrieben hat, kleine, sonnige
Paradiese voller Blaubeeren und Pfifferlinge und glitzernder
Fische, die man über dem Feuer rösten kann. Aber sobald er weg war,
dachte ich, ich müsse ertrinken, zumindest in den ersten Wochen.
Ich habe nur noch auf die Stunden mit ihm hingelebt. Dann habe ich
gedacht, ich muss lernen, den Kopf oben zu behalten, auch wenn er
nicht da ist. Dieses Hin und Her hat mich fast wahnsinnig
gemacht.«
    Anna nahm den letzten Schluck aus
ihrem Glas und kuschelte sich in ihr Kissen. »Hast du manchmal auch
das Gefühl, dass Pekka noch da ist? Manchmal denke ich, er ist bei
mir und schaut mir zu.«
    »Andauernd habe ich das, manchmal
spüre ich sogar seine Hände, und oft sehe ich seine Augen, als
würden sie aus dem Himmel heruntergucken.

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