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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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seiner
Uniformjacke. »Bitte halten Sie sich zur Verfügung, falls wir
weitere Nachfragen haben.«
    Gertrud Meier schlich hinaus, und
Hugo lief im Eilschritt zur Schwebebahn, um zu Schlipköter zu
fahren, der an der Loher Straße wohnte. Hugo musste eine Weile
suchen, bevor er die Wohnung in einem kleinen, mit Bergischem
Schiefer verkleideten Hinterhaus fand.   
    Schlipköter öffnete erst, nachdem er
mehrmals geklingelt hatte. Der Kürschner machte einen verängstigten
und verwahrlosten Eindruck, und Hugo fragte sich, ob er seine
Wohnung überhaupt noch verließ.
    »Ich wusste, dass Sie eines Tages
darauf kommen würden«, murmelte er, als der Sergeant ihn mit der
Aussage konfrontierte. »Aber ich konnte das Kind doch nicht
preisgeben, meine kleine Lina, es wäre doch gewesen, als hätte ich
sie an den Pranger gestellt. Diese Schande, diese Demütigung, das
hätte sie doch niemals verkraftet. Das geht doch immer alles gegen
die Frauen, bei den Männern ist es ein Kavaliersdelikt, und die
Frauen sind die Schlechten.«
    »Ich gebe Ihnen vollkommen Recht,
aber trotzdem hätten Sie es nicht verschweigen dürfen. Immerhin
steht es im Zusammenhang mit einem Mord.«
    »Sie können mich gerne verhaften,
mein Leben ist sowieso nichts mehr wert.«
    »Na, na, Herr Schlipköter«,
beschwichtigte Hugo, »niemand wird die Sache mit Fräulein Pasche an
die große Glocke hängen, das verspreche ich Ihnen in die Hand. Und
von einer Verhaftung kann auch keine Rede sein, es sei denn, Sie
hätten uns noch etwas anderes verschwiegen. Fühlen Sie sich denn in
besonderer Weise für Ihre Nichte verantwortlich?«
    Schlipköter blieb eine Weile stumm,
er schluckte und kämpfte mit den Tränen.
    »Lina ist alles, was ich habe, sie
und ihre Mutter, andere Verwandte habe ich nicht. Sie musste ja
ohne Vater aufwachsen, da habe ich immer ein bisschen den Ersatz
gespielt. Aber eigentlich brauchte sie das gar nicht, sie war immer
so vernünftig und selbstständig, sie war ein gutes Kind. Sie half
ihrer Mutter, sie lernte für die Schule, dann fing sie an zu
arbeiten, immer fröhlich, immer optimistisch, das ist einfach ihr
Naturell. Natürlich haben meine Schwester und ich gehofft, sie
würde einen anständigen und gut situierten Mann abbekommen, hübsch
und intelligent genug ist sie ja. Stattdessen hat sie sich auf so
eine Geschichte
eingelassen.«       
    »Woher wussten Sie überhaupt von der
Affäre? Hat Fräulein Pasche es Ihnen gesagt?«
    Schlipköter ging an den Herd, auf
dem eine zinnerne Dröpelmina [Bergische Kaffekanne] mit zierlichen
gedrechselten Füßchen stand, und füllte zwei Tassen mit Kaffee. Er schob eine Hugo hin, dann sagte er
leise und stockend:
    »Ich habe sie einmal überraschend
besucht, da habe ich Pekka angetroffen, in Hosenträgern, die
Situation war eindeutig. Ich habe gedacht, mich trifft der Schlag,
am liebsten hätte ich ihn umgebracht oder zumindest verprügelt.«
Schlipköter sah Hugo mit nassen Augen an. »Natürlich habe ich es
nicht getan, aber in dem Augenblick hatte ich das Bedürfnis, ich
dachte, er hat alles zerstört, sie, ihre Mutter und mich auch.
Danach hätte ich ihm niemals mehr unter die Augen treten können,
als wäre nichts gewesen.«
    »Das kann man ja in gewisser Weise
verstehen. Hatten Sie vorher auch schon manchmal Hassgefühle gegen
Herrn Salander? Hat er Ihnen irgendeinen Grund gegeben?«
    Wieder brauchte Schlipköter eine
Weile für die Antwort.
    »Wie konnte ich ihn hassen, er hat
mir Arbeit gegeben, gute Arbeit, ich war selbstständig, er hat mich
anerkannt und gut entlohnt.«
    »Wie ist die Sache denn nach der
Auseinandersetzung weitergegangen?«
    »Ich habe mir überlegt, dass ich da
nicht mehr weiter arbeiten kann, und ausgerechnet zu der Zeit kam
auch das Angebot von Herrn Honscheid, die Kürschnerei von Tietz zu
übernehmen, es kam wie gerufen. Zwei Wochen später hat Lina mir
gesagt, sie habe sich von ihm getrennt, und ich denke auch, dass
das stimmt. Pekka ging es ab da schlecht, ich glaube, dass er sehr
gelitten hat. Aber ich wollte trotzdem weg, ich konnte ihm nicht
verzeihen, was er getan hatte.«
    »Wusste außer Ihnen noch jemand
etwas davon? Hat Frau Salander nichts geahnt oder Fräulein
Brüninghaus?«
    »Ach, Frau Salander, die hatte doch
nichts anderes im Kopf, als an ihm herumzumeckern. Und Louise, ich
weiß nicht, bei ihr wusste man nie, was in ihr vorging.«
    »Und Fräulein Pasche ist jetzt auf
dem Weg nach Helsinki, zusammen mit Fräulein

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