Die Reise Nach Helsinki
gegeben, eine Kranke, eine Rasende, behalten
hast du das schöne, sanfte Kind und auch Per und Isak, es ist
genug, was ich dir gegeben
habe.
Voia, voia, nana, nana.
Damals, in der Nacht kurz vor
Walpurgis, als die ersten Frühlingslüfte wehten und der Vollmond
seine Silbermilch über dem Inari-See ausgoss, da geschah es, da kam
er zurück aus der Stadt und brachte uns den Tod, in seiner
Unersättlichkeit, in seiner heulenden Gier nahm er mir den Bruder
und den Sohn.
Voia, voia, nana, nana.
Pass auf, Pekka, sagte ich, die
Tiere sind unruhig heute, sie riechen den Frühling, sie wollen zu
den Weideplätzen, zu den saftigen Flechten, aber er hörte nicht, er
war trunken vor Glück, weil sie wieder in der Hoffnung war, meine
kleine Marja, ein zweites Kindchen, ein zweites Engelchen, schön
und lieblich wie unsere Riikka, wuchs in ihrem Leib.
Voia, voia, nana, nana.
Trunken vor Glück tanzte er um das
Feuer, sei ruhig, Pekka, sagte ich, sei ruhig, die Tiere sind
unruhig, sie werden verrückt von dir und von der Silbermilch des
Mondes, sie fangen an zu kalben vor der Zeit. Wir tranken, auch
Marja trank, trotz des Kindes in ihrem Leib, und er achtete nicht
darauf. Er wollte nicht sehen, dass der Schnaps wieder nach ihr
griff, er wollte nur sein Glück genießen, seinen Rausch.
Voia, voia, nana, nana.
Tanze, Matte, wir wollen am See
tanzen, ein Menuett für Ukko Donnergott und seine Rauni, damit sie
uns ihren Segen geben. Und er sprang um das Feuer mit meiner Marja,
die ihre Haare gelöst hatte und sich drehte, schneller und
schneller, halt ein, sagte ich, denk an das Leben in deinem Leib,
aber sie drehten sich, hej, hej, hej, in immer wilderem Rausch,
tanze, Matte, tanze mit uns. Er lief zum See hinunter, halt ein,
rief ich, die Tiere, die Tiere, aber er lief, und Per und Isak
kamen auf ihren Schneeschuhen vorsichtig heran, von der anderen
Seite, um sie halten zu können, dass sie nicht in die Wildnis
flohen vor dem verrückten Ulda.
Voia, voia, nana, nana.
Dann verdunkelte sich der Himmel,
Nebel zog auf und machte den Silbermond stumpf und grau. Halt ein,
rief ich, die Tiere, die Tiere. Komm, Mond, brüllte er zum Himmel
hinauf, komm wieder hervor und leuchte meinem Glück. Halt ein, rief
ich, halt ein, Pekka.
Voia, voia, nana, nana.
Per und Isak standen stumm bei der
Herde, durch die es schon wogte, glitten auf und ab auf ihren
Schneeschuhen, wachten und schauten, hierhin und dorthin. Er schrie
und tanzte und spürte nicht, wie die Unruhe wuchs, aber Per und
Isak spürten es, die Angst stand in ihren Augen. Und langsam
breitete sich der Sturm unter den Tieren aus. Halt ein, halt ein,
rief ich, aber er nahm Marja unter den Arm, die zappelte und
kreischte, tanze, meine Schöne, tanze. Er lief zum Seeufer, das
noch gefroren war, er rief zum Mond hinauf, der hinter der
Nebelbank schimmerte, komm hervor und leuchte meinem Glück. Halt
ein, halt ein, rief ich.
Voia, voia, nana,
nana
Er sprang vor das Leittier mit den
schönen weißen Flanken, er schwenkte meine Marja, sieh her, sieh
her, du schönes Tier, sieh mein Glück, teile es mit mir, die
ganze Welt soll mein Glück teilen. Per und
Isak liefen hin und her, das Leittier witterte, von ferne kam ein
Heulen über den See, eine schwarze Wolke schob sich vor den Mond,
Ukko raste heran, und der See begann zu kochen, aber er tanzte
immer noch, der Ulda, eine Fackel, rief er, komm, Matte, zünde eine
Fackel an. Halt ein, rief ich, halt ein, Pekka, aber da donnerten
schon die Hufe, das Leittier rannte, und der Sturm brach los, ein
hohes Singen war in der Luft, schwarze, harte Hufe donnerten durch
weißen Schneestaub, trommelten zu Tausenden, die Erde bebte, und
die Nacht war rabenschwarz.
Voia, voia, nana, nana.
Zwei Schreie, einer tief und heiser,
einer hoch und klagend, und ich sah euch noch, Per, meinen Sohn,
und Isak, meinen Bruder, sah euch hinauffahren in den schwarzen
Himmel, hinter dem die Sterne und der Silbermond lachend auf euch
warteten, sah euch schweben im Licht, im Glanz über der donnernden,
schneestaubenden Hölle.
Voia, voia, nana, nana.
Per, der du kurz vor dem Mannesalter
standest, vielleicht wartete deine Mutter auf dich, endlich wollte
sie, die dir ihr Leben gab, dich in den Armen halten. Und Isak,
mein armer Bruder mit den hellen Augen der Schwarzgekleideten, mein
armer, trauriger Bruder. Nichts als Fleischklumpen blieben übrig
von euch, blutige Fetzen, die ich im Mondlicht aus dem Schnee
kratzte.
Voia, voia, nana,
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