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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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mit den Schriften Kraepelins,
Breuers und Freuds auseinander gesetzt. Er war überzeugt von ihren
Erkenntnissen über die seelische Dynamik und wollte zu ihrer
Verbreitung und Erforschung beitragen, indem er versuchte, Menschen
nach ihren Methoden zu behandeln.
    »Ich habe die Möglichkeiten, die uns
die Psychiatrie bisher geboten hat, immer als barbarisch
empfunden«, sagte Oleg, »dass man Menschen, die ohnehin von
schrecklichen Ängsten und Affekten geplagt sind, fesselt und
einsperrt oder im günstigsten Fall mit Medikamenten ruhigstellt,
darauf läuft ja letztlich die ärztliche Kunst hinaus. Ich versuche,
hier in Helsinki Patienten zu behandeln, die sich auf die Methode
von Freud einlassen, um Erfahrungen zu sammeln und diese zu
dokumentieren. Ich habe das bei einigen getan, aus meiner Sicht
auch mit ermutigenden Ergebnissen, und Studien geschrieben, die
zurzeit allerdings noch niemand veröffentlichen
will.«   
    »Und bei Herrn Turi schlugen diese
Methoden auch
an?«       
    Oleg nickte. »Seine Entwicklung
verlief vielversprechend. Ich habe ihm zwar immer noch beruhigende
Medikamente geben müssen, aber ich konnte die Dosen herabsetzen und
manche Krise schon im Entstehen verhindern, indem ich Matte
ermunterte, seine Gefühle und Gedanken auszusprechen. In diesem
Jahr, etwa Anfang April, kam es nach einem relativ ruhigen Winter
allerdings doch zu einer größeren Krise. Prinzipiell wurde es im
Frühjahr schwieriger mit ihm, das lag wohl auch daran, dass zu
dieser Jahreszeit sein Sohn und sein Bruder ums Leben gekommen
waren. Aber ich hatte immer darauf geachtet, und wir bekamen es in
den Griff. Dann muss es irgendeinen Auslöser gegeben haben, ich
weiß bis heute nicht, was es war. Er war zwei Tage bei Minna
gewesen, und als er wiederkam, war er sehr unruhig, er sprach und
schimpfte laut, weinte und drohte, er besorgte sich Schnaps, was er
nur sehr, sehr selten tat, und trank exzessiv auf der Straße mit
den Alkoholikern. Er war voller Angst, seine Gedanken drehten sich
um nichts anderes als um die alte Geschichte mit Pekka Salander,
vor allem um den Unfall, von dem mir Minna und Riikka erzählt
hatten, und er war besessen von dem Gedanken, dass Pekka Salander
aus Deutschland kommen und ihm Riikka wegnehmen würde. Wir haben
mit Engelszungen auf ihn eingeredet, dass er das gar nicht könne
und dass Riikka sowieso nicht mit ihm gehen würde, aber vergeblich.
Er holt sie mir fort, der Ulda, die anderen hat er auch geholt, sagte er immer
wieder.«
    Dann blieb Matte einmal über Nacht
fort und kam am nächsten Morgen wie umgewandelt nach Hause. Seine
Angst war weg, er triumphierte und sagte immer wieder, der Ulda habe keine Macht mehr
über ihn, er werde Riikka nicht bekommen. Als Oleg ihn fragte, wie
das denn komme, hatte Matte auf den Sack geklopft, in dem er seine
ganze Habe hatte, und gesagt, er habe Nilas Niolpas getroffen, der
habe ihm ein Gegenmittel gegeben, einen Zaubertrank.
    »Ich mache mir so entsetzliche
Vorwürfe«, sagte Oleg heiser, »dass ich die Sache auf sich beruhen
ließ und nicht mit Riikka und Minna darüber gesprochen habe, vor
allem, dass ich seine Sachen nicht durchsucht habe. Ich dachte, er
rede wirres Zeug, und habe es nicht ernst genommen. Ich war einfach
froh, dass es ihm besser ging, außerdem stand meine
Deutschlandreise unmittelbar bevor, sodass ich sehr beschäftigt
war. Riikka und Minna haben Matte Anfang Mai ganz beruhigt in den
Zug nach Lappland gesetzt. Als ich dann bei meinem Aufenthalt in
Barmen hörte, dass Pekka Salander durch Zyankali-Schnaps aus
Finnland ums Leben gekommen war, war mir eigentlich alles sofort
klar. Der Zaubertrank von diesem Niolpas. Und dann gellte mir
förmlich eine Drohung von Matte in den Ohren, die er ausgestoßen
hatte, nachdem er Niolpas getroffen hatte: Das tyttö kommt auch dran, das tyttö von dem Ulda, er soll es nicht
behalten. Mir war klar, dass er damit Herrn Salanders zweite
Tochter gemeint haben musste, und ich beschloss, alles
daranzusetzen, dass ihr nicht auch noch etwas
passierte.« 
    »Haben Sie in Barmen mit
irgendjemandem über Ihren Verdacht gesprochen?«
    Hugo beugte sich nach vorn, die
Geschichte war unglaublich. Oleg schüttelte den Kopf.
    »Natürlich nicht. Wir haben über den
Fall geredet, das ist ja klar, und dass ich Minna kannte, aber
darüber hinaus habe ich nichts gesagt. Bertha Wichelhaus, meine
Gastmutter, hörte dann von Frau Döring, dass Lina Pasche zusammen
mit Anna Salander über Lübeck nach Helsinki

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