Die Reise Nach Helsinki
diese scheinheilige kleine Dirne. Ich hatte nicht das
Gefühl, dass es Emma wirklich traf, dass Pekka eine andere Frau
liebte, so wie es mich bis ins Mark getroffen hatte. Sie sprach
zuerst mit Elias und überredete ihn, an einem der Abende, an denen
Pekka verschwand, bei Lina vorbeizugehen und die beiden in
flagranti zu ertappen. Dann beschloss sie, Lina einen Drohbrief zu
schreiben, aber nicht in der Hoffnung, Pekka dadurch
zurückzugewinnen, sondern um ihr Angst einzujagen und ihr, so sagte
sie wörtlich, ein bisschen Feuer unter dem Hintern zu machen.
Abgesehen davon schmiedete sie leidenschaftlich Pläne, wie sie die
Situation für sich nutzen und bei einer Trennung möglichst viel
herausschlagen konnte. Auf jeden Fall das Haus, sagte sie immer
wieder, du wirst sehen, Louise, wir werden es zurückbekommen, er
wird uns unser rechtmäßiges Eigentum wiedergeben müssen. Aber das
Geschäft, hielt ich ihr vor, was wird damit? Er kann es meinetwegen
weiterführen und uns eine anständige Pacht zahlen, aber ich denke,
er wird es besser aufgeben, denn hier in Elberfeld ist er sowieso
unten durch, wenn er mich wegen einer anderen Frau verlässt. Und
dass es jeder erfährt, dass er ein Ehebrecher ist, dafür werde ich
sorgen, Louise, ich werde ihn unmöglich machen, mit allen Mitteln,
die mir zur Verfügung stehen. Von mir aus soll er nach Düsseldorf
gehen oder am besten gleich zurück in seinen finnischen Urwald,
dahin, wo er hergekommen ist, das wäre doch wohl das Beste, und
sein Freudenmädchen kann er gerne mitnehmen. Viel Spaß und gute
Reise, Pekka, werde ich sagen, hier weint dir niemand eine Träne
nach. Emma konnte sich delektieren an ihren Phantasien, sie dachte
sich immer neue Demütigungen aus, mit denen sie ihm den Laufpass
geben wollte, und merkte nicht, wie mich ihre Hasstiraden
schmerzten, jedes Mal dachte ich, sie stieße mir ein Messer ins
Herz.
Zu dieser Zeit ging es mir so
schlecht wie niemals zuvor, ohne Opiumtropfen hätte ich das nicht
überstanden. Die Vorstellung, Pekka würde fortgehen und nie mehr
zurückkehren, war, als würde mir der Lebensstrom abgestellt, als
täte sich der Höllenschlund unter mir auf. Hinzu kam, dass ich große Schuldgefühle wegen Elias
hatte, der unendlich litt, wieder einmal litt er entsetzlich durch
meine Schuld. Ich wusste, dass ich durch mein Spionieren etwas in
Gang gesetzt hatte, das ich nicht mehr kontrollieren konnte, eine
Lawine von Leid und Elend. Ich schlief kaum noch und überlegte in
den Nächten, wie ich das Unheil aufhalten könnte. Ein Gedanke
verfestigte sich schließlich immer mehr: Alles wird gut, wenn Pekka
seine Schwester und seine Tochter wiederbekommt, sie besuchen uns
in Elberfeld, er vergisst die Pasche, wenn die ganze Familie
zusammen ist. Ich war richtig besessen von dieser
Vorstellung.
In der Zeit, als ich in Pekkas
Sachen herumwühlte, hatte ich auch einen Brief von Carl Soderberg
gefunden. Ich vermute, dass es der war, in dem Soderberg mitgeteilt
hatte, Minna und Riikka wollten nichts mit Pekka zu tun haben. Er
lag in der hintersten Ecke der Schreibtischschublade und war von
den vielen Tränen verschmiert, die Pekka über ihm geweint haben
musste. Deshalb und natürlich auch, weil er auf Finnisch
geschrieben war, konnte ich ihn nicht lesen, aber Soderberg hatte
die Adresse von Minna und Riikka darunter geschrieben. Minna
Salander und Riikka Turi, Engelsplatsen 12, Helsinki. Also setzte
ich mich eines Tages hin und schrieb ihnen, dass Pekka sie gerne
sehen würde, es sei sein tiefster und innigster Herzenswunsch. Er
sei vermögend und würde die Kosten übernehmen, wenn seine Schwester
und seine Tochter sich zu einer Reise nach Deutschland entschließen
könnten, und wir alle würden sie herzlich willkommen
heißen.
So ähnlich formulierte ich diesen
dummen Brief, und zum Beweis, dass meine Aussagen stimmten, legte
ich ein Foto von dir und Pekka vom letzten Jahr und die halbseitige
Annonce bei, die wir regelmäßig im täglichen Anzeiger hatten. Ich
war ganz euphorisch, als ich den Brief zur Post brachte, ich
dachte, jetzt wird alles gut, jetzt wird Pekka von seinen Leiden
erlöst, er wird sich auf seine Familie besinnen, vielleicht sind
wir schon im Sommer
alle
beieinander. Ich stellte mir vor,
wie dankbar Pekka mir für diese Vermittlung sein würde, du bist
doch meine Beste, Louiss, du hast meinen Lebenswunsch erfüllt, du
weißt genau, was der alte Pekka braucht. In den Nächten sah ich
seine strahlenden,
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