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Die Reise Nach Helsinki

Die Reise Nach Helsinki

Titel: Die Reise Nach Helsinki Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Gibiec
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zärtlichen Finnenaugen wieder auf mir ruhen und
träumte, ich sei ins Paradies zurückgekehrt, und jeden Morgen
erwartete ich sehnsüchtig den Briefträger, ob er endlich einen
dieser Umschläge mit den fremdländischen Marken, die ich ja von den
Briefen Soderbergs kannte, bringen würde.
    Emma und ich hatten nicht bedacht,
dass der Drohbrief an Lina, den wir gemeinsam verfasst hatten,
Wirkung zeigen könnte. Kurze Zeit, nachdem wir ihn abgeschickt
hatten, ging Pekka plötzlich nicht mehr fort, es ging ihm schlecht,
und er machte ganz den Eindruck eines verlassenen Liebhabers. Ich
hatte mir ja ausgedacht, dass alles wieder so werden würde wie
früher, wenn nur diese Frau nicht mehr im Spiel wäre, aber so war
es nicht. Ich gewann Pekkas Vertrauen nicht zurück, ganz im
Gegenteil, abends zog er sich ins Kontor zurück und trank, mit Emma
und mir sprach er nur noch das Nötigste. Emma war die Entwicklung
gar nicht recht, ich glaube, sie hatte sich schon mit der Rolle der
verlassenen Ehefrau angefreundet. Vor allem wurmte sie, dass ihr
Plan, unser Elternhaus zurückzugewinnen, nicht aufzugehen schien,
sondern alles danach aussah, als müsse sie sich doch wieder mit
Pekka arrangieren. Es beruhigt mich, dass sie die Dinge heute
anders sieht, sie spricht freundlicher über ihn, seitdem sie die
Gespräche mit Dr. Vollberg führt, manchmal erinnert sie sich an
schöne Zeiten in ihrer Ehe und bereut es, dass sie so selten mit
ihm gesprochen hat. Vielleicht habe sie ihn gar nicht richtig
gekannt, hat sie mir neulich gesagt, und wie froh sie wäre, wenn
sie das Rad noch einmal zurückdrehen könnte.
    Meine letzte Hoffnung in diesem
Elend warst du, Anna, ich dachte, wenn du aus Berlin zurückkehrst,
heitert deine Anwesenheit ihn auf, aber als ich dann sah, wie
schlecht du dich mit Emma verstandest und dass du dich in Elberfeld
gar nicht mehr wohl fühltest, schwand auch dieses Fünkchen
dahin.
    Der Nachmittag, als der Bote das
Paket brachte, war wie ein letztes Aufflackern, ich weiß noch, wie
mein Herz hochschlug, als ich an dem Porto erkannte, dass es aus
Finnland kam. Jetzt haben sie es sich doch überlegt, dachte ich,
sie schicken ihm ein Geschenk und kündigen an, dass sie im Sommer
kommen werden. Und als ich dann auch noch dich und Pekka lachen
hörte an diesem Abend, da dachte ich, alles wird gut, alles wird
wie früher, und der Alptraum ist vorbei. Dabei fing er erst richtig
an, wie wir jetzt wissen, und als mir klar wurde, dass die Adresse
auf dem tödlichen Paket wortwörtlich von der Anzeige abgeschrieben
war, die ich nach Finnland geschickt hatte, wusste ich, dass ich es
war, die Pekka den Tod gebracht hatte. Vielleicht bin ich nicht
schuldig im juristischen Sinne, aber in Wirklichkeit bin ich es,
und alle meine anfänglichen Versuche, mich davon innerlich
reinzuwaschen, nützen nichts.
    Ich bin jetzt ganz klar, meine Anna,
die Erschöpfung, die Verwirrung und die Traurigkeit, die mich nach
Pekkas Tod überwältigt hatten, sind verschwunden. Ich möchte, dass
du weißt, dass ich meine Entscheidung, deinem Vater zu folgen, bei
klarem Verstand und im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte getroffen
habe, wie man so schön sagt. Ich hoffe, du wirst die Ereignisse
eines Tages überwinden und eine eigene Familie gründen, die dir
hilft, mit der Vergangenheit fertig zu werden. Sei versichert, dass
ich in Ruhe gehe und in dem Bewusstsein, für den Tod des Mannes
Sühne geleistet zu haben, der neben dir mein ganzes Leben bedeutet
hat.
    In Liebe, deine Tante
Louise 
    »Nehmen Sie ihm die Handschellen
ab«, sagte Eino Plosila ungehalten zu den beiden
Streifenpolizisten, die Oleg Skrijabin vor seiner Wohnung
festgenommen und ins Präsidium gebracht hatten. Obwohl er ihnen
willig gefolgt war und keinen Widerstand geleistet hatte, stießen
sie ihn vor sich her wie einen Schwerverbrecher. Plosila bot dem
verängstigten, übermüdet wirkenden Russen höflich einen Stuhl an,
befahl den Polizisten, vor der Tür seines Büros Aufstellung zu
nehmen und schickte einen von ihnen nach Kaffee und belegten
Broten.
    Obwohl Skrijabin offensichtlich
etwas Deutsch konnte, führte Plosila das Verhör auf Finnisch und
übersetzte zwischendurch für Hugo.
    Ob es richtig sei, begann Plosila,
dass er, Skrijabin, am 11. Mai dieses Jahres in Elberfeld in
Deutschland gewesen sei und dort gegen Mittag in der Innenstadt,
genauer gesagt, am Wall, das Pelzhaus Salander beobachtet
habe?
    Skrijabin bejahte dies und führte
aus, er sei von der SDP zu einem

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