Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
beiden Richtungen durch den breiten Gang. Plötzlich spürte Martin einen Stich im Rücken. Augenblicklich wurden seine Knie weich wie Gummi. Aus, vorbei, schoss es ihm durch den Kopf. Er versuchte sich krampfhaft auf den Beinen zu halten, doch es gelang ihm nicht. Bevor er zusammensackte, wurde es schwarz vor seinen Augen.
ISABELLE
Als Martin aufwachte, lag er auf einem weichen Bett. Sein Kopf schmerzte und es gelang ihm nur mit Mühe, seine verschwollenen Augen zu öffnen. »Wo bin ich?«, wollte er sagen, aber er brachte nicht einmal ein Lallen zustande. Auch seine Zunge war aufgedunsen.
Er versuchte seinen Kopf zu bewegen und sich umzusehen. Rechts von ihm befand sich eine Tür, links eine gläserne Wand. Dahinter war es dunkel und er konnte nur sein Spiegelbild auf der Glaswand entdeckten. An der Decke brannte hinter einer Abdeckung eine Glühbirne.
»Ich bin nicht tot«, konstatierte er. Das war erstaunlich, enthielten doch die Pfeile der Nagler ein tödliches Gift, wie ihm Eliane erklärt hatte. Hatte er mit Glück überlebt? Oder würde der Tod erst noch eintreten?
»Vielleicht bin ich doch tot und dies ist der Vorhof zur Hölle oder zum Paradies«, sagte er sich. Danach wurde er wieder bewusstlos.
Als er das nächste Mal aufwachte, war es im Raum taghell, und als er zur gläsernen Wand blickte, sah er, dass es sich dabei tatsächlich um ein großes Fenster handelte. Der Blick nach draußen eröffnete eine fantastische Szenerie: Weit unter ihm ein dichter Wald mit mächtigen Bäumen, soweit das Auge reichte. Auf der anderen Seite eine graue Felswand, deren Oberkante sich mehrere tausend Meter über dem Talboden befinden musste. Er konnte von seiner Position aus nur einen schmalen Streifen Himmel sehen. Kleine weiße Federwolken zogen über einen hellgrauen Himmel.
Nein, dies war weder das Paradies noch die Hölle. Er befand sich in einer Wohnung in der Stadt Victoria und weilte noch unter den Lebenden.
»Verdammt«, brabbelte er und diesmal hörte er seine eigenen Worte. Die Schwellungen waren zurückgegangen, er konnte die Zunge wieder bewegen und auch den Kopf wieder frei drehen. Martin versuchte, sich aufzurichten, doch dabei wurde ihm schwindlig und er ließ sich wieder auf das Bett zurückfallen.
Was war geschehen? Er ließ die Ereignisse seit der Ankunft mit dem Schneemobil nochmals Revue passieren, um sie zu ordnen und zu analysieren. Schon bei ihrer Ankunft musste etwas schief gelaufen sein. Sie waren direkt in eine Falle getappt. Die drei Gestalten in den weißen Mänteln hatten sie erwartet. Bereits dieser Umstand hätte bei ihm und seinen Begleitern die Alarmglocken läuten lassen sollen. Doch weder Eliane noch Thomas hatten reagiert, und er war direkt zum Lift marschiert, wie ihm gesagt wurde. Er spielte die Szene in Gedanken immer wieder durch und plötzlich fiel ihm auf, dass er in diesem Augenblick leichte Kopfschmerzen verspürt hatte, die dann auf der Fahrt im Aufzug wieder verflogen waren.
Ein Schremp, fuhr es ihm durch den Kopf. Das konnte nur einer dieser sechsäugigen Blutsauger gewesen sein. War einer der Gestalten, die sie erwartet hatten, ein Schremp gewesen? Ihre Gesichter waren durch die Goggles und die weißen Kapuzen verborgen gewesen. Er durchforstete weiter seine Erinnerungen. Hatte ein Schremp Eliane beeinflusst? Hatte sie deshalb nicht reagiert? Aber was war mit Thomas? Schremp konnten ihn nicht in ihren Bann schlagen. Wieso hatte nicht er dem Spuk ein Ende bereitet? Steckte er gar mit den Geheimdienstlern unter einer Decke? Verwundert hätte es ihn nicht. Er misstraute dem Luftschiffpiloten und Sklavenhändler. Doch dann tauchte in der Tiefe seiner Erinnerungen ein zischendes Geräusch auf. Es war irgendwo hinter ihm gewesen, als er im Turm in den Lift einstieg. Aber im Windharfenspiel der Turmspitze war es untergegangen und nur sein Unterbewusstsein hatte es registriert. Hatten sie Thomas mit einem Nagler ausgeschaltet?
Wie auch immer. Er musste Eliane finden. Sie war dem hypnotischen Bann der Schremp wehrlos ausgeliefert und sie benötigte seine Hilfe. Er stemmte sich vom Bett hoch und wankte zur Tür. Sie war abgesperrt. Gleich daneben entdeckte er seinen Rucksack und auf einem Stuhl seinen Mantel, die Goggles und die Pilotenkappe. Er durchwühlte die Taschen des Mantels und auch den Rucksack. Doch sie waren allesamt leer. Außer den Kleidern hatten sie ihm nichts zurückgelassen.
Was wollten sie von ihm? Was wollte der Geheimdienst von Orb
Weitere Kostenlose Bücher