Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
auf andere Weise stoppen können.«
»Alles geht einmal zu Ende. Jeder muss sterben«, entgegnete sie und zog ihr Messer durch das Laub des Waldbodens, um das Blut abzuwischen. Dann durchsuchte sie die Taschen des Toten. Neben einem Nagler und einer Identifikations-Scheibe fischte sie ein Gerät aus der Tasche, so groß wie eine Zigarettenschachtel.
»Ein Kondensator«, kommentierte der Mikromechanische.
»Ein elektrischer Kondensator?«, staunte Martin. Sowas trägt man doch nicht mit sich herum. Das Ding gehört in eine Schaltung, als Einzelteil ist es nutzlos.«
Er nahm den Kondensator auf, begutachtete ihn von allen Seiten und steckte ihn dann ein.
»Er hat ihn vermutlich aus einer Schaltung entfernt. Vielleicht um ihr Funktionieren zu verunmöglichen«, meinte der Mikromechanische. Dann fügte er hinzu: »Eliane, geradeaus, doch behalte den übernächsten Stamm im Auge.«
Nach ein paar Metern wurde der Grund für seine Warnung sichtbar. Der Stamm des Mammutbaumes besaß eine Tür. Eliane öffnete sie vorsichtig und trat dann ein. Martin folgte ihr mit dem schlafenden Palastwandler in den Armen und dem Mikromechanischen in der Manteltasche. Das runde Loch im Boden mit den Haltegriffen war unverkennbar ein Schwerluftschacht.
»Pass auf, Eliane, wir wissen nicht, was uns unten erwartet«, warnte Martin. Doch seine Begleiterin zögerte keine Sekunde. Behände schwang sie sich in den Schacht und stieß sich nach unten ab. Rasch entschwand sie in der Dunkelheit. Martin folgte ihr. Wie immer war es ein beklemmendes Gefühl, in der Luft zu schwimmen wie im Wasser, und er hatte Mühe mit dem Atmen. Doch der Schacht war nicht tief. Schon nach wenigen Metern war er zu Ende und Martin schlüpfte zu Eliane in die Schleuse und schloss die Schachttür hinter sich. Als die mechanische Anzeige von rot auf grün wechselte, öffneten Eliane die Außentür. Das Zischen von Naglerpfeilen empfing sie. Einer schlug direkt neben Martins Kopf in den Türrahmen, ein anderer traf den schlafenden Palastwandler, den er in den Armen hielt. Eliane hatte sich zu Boden geworfen und feuerte aus ihrem Nagler. Dann rollte sie sich zur Seite, sprang auf und schleuderte kurz nacheinander zwei Wurfsterne in den Raum. Der pelzige Palastwandler öffnete die Augen und sah Martin ängstlich an.
»Ich bin getroffen«, sagte er. »Ich kann die Illusion nicht…« Sein Blick wurde starr und der Körper schlaf.
»Lass die schwere Luft aus dem Schacht ausströmen. Das hält unsere Verfolger auf«, sagte der Mikromechanische und lugte dabei aus der Manteltasche.
»Er ist tot. Sie haben ihn umgebracht!« Martin streichelte das pelzige Wesen.
»Du kannst ihm nicht mehr helfen«, rief Eliane. Sie hatte die Lage offenbar unter Kontrolle. Es waren keine Schüsse mehr zu hören. »Rasch! Lass die Luft raus!«
»Wie denn? Innen- und Außentür der Schleuse verriegeln sich wechselseitig, ich kann nicht gleichzeitig beide öffnen.«
»Nimm den Roten Handschuh! Mach schon!«
Vorsichtig legte Martin den toten Palastwandler auf den Boden und holte die antike Waffe aus seinem Rucksack. Hastig stülpte er sie über die rechte Hand und schoss durch die offene Schleuse auf die Innentür. Ein roter Strahl stach aus dem dicken Stummellauf und zerstob auf der Tür.
»Zurück, Martin!«, rief Eliane, »du bist viel zu nahe dran.«
Erschrocken trat er ein paar Schritte rückwärts, stolperte über den Pelzigen und ging zu Boden. Dabei löste er die Waffe ungewollt aus. Ein weiterer Strahl fuhr schräg in die Höhe und traf den Rahmen der Außentür. Ein roter Tropfen der umherspritzenden Säure traf seine linke Hand, drei weitere seine Unterschenkel. Roter Schmerz explodierte in seinem Hirn, dann wurde er ohnmächtig.
Als Martin wieder zu sich kam, spürte er nichts mehr. Er fühlte sich seltsam berauscht und die Stimme Elianes vernahm er nur aus weiter Ferne, obschon sie sich über ihn gebeugt hatte. Er lag auf dem Rücken, vermutlich auf einem Tisch oder einer Liege. An der Decke über ihm bewegten sich Zahnräder und Transmissionsriemen. Aus den Augenwinkeln sah er eine Gaslaterne an der Wand.
»Wo bin ich?«, fragte er. »Was ist passiert?« Dann erinnerte er sich wieder an die roten Tropfen aus dem Handschuh. »Ich wurde getroffen, nicht wahr?«
»Ja, Martin Außenweltler, es hat dich erwischt. Du siehst aus wie ein Löchersieb.«
»Wieso lebe ich noch? Werde ich jetzt sterben?«
»Ich habe dir ein Pulver gegen die Schmerzen gegeben, die Wunden
Weitere Kostenlose Bücher