Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
Schaltung mit den Röhren und Spulen stand.
»Kannst du morsen?«, fragte der Kleine.
»Ich werde es versuchen«, lallte Martin und hielt sich am Tisch fest. Ihm war schlecht und er hätte sich am liebsten auf den Boden fallen lassen, um dort einzuschlafen. Mit der rechten Hand griff er zur Taste. Es ist wie auf der Titanic, dachte er. Mit dem Gedanken an den sinkenden Ozeandampfer morste er:
CQD SOS VORPOSTEN ORB UEBERFALLEN = ALLE TOT = CQD SOS = MARTIN. Der Sender zischte im Takt der Morsezeichen und Martin wiederholte die Botschaft noch drei Mal. Dann sank er zu Boden. Im Halbschlaf hörte er, wie ein Signal aus dem Empfänger drang, mit zischenden Tönen:
R R R DE MECHANIKUM = MASSNAHMEN GETROFFEN = HILFE UNTERWEGS. Dann folgte nur noch lautes Rauschen. Vermutlich hatte der kleine Roboter den Empfänger voll aufgedreht. Doch plötzlich war wieder ein Signal zu hören, jedoch stark verrauscht:
R R R DE STONEHENGE = VORSICHT EISEXPRESS.
Die Meldung wurde mehrmals wiederholt. Die Funkstation von Stonehenge hatte sein Signal auch empfangen, realisierte Martin, und warnte sie vor dem Eisexpress. Er brachte offenbar eine weitere Gefahr nach Orb. Mit diesen Gedanken schlief Martin ein.
Eine gewaltige Explosion schreckte ihn aus dem Schlaf. Metall klirrte, ein Trümmerteil fiel direkt neben seinem Kopf auf den Boden. Instinktiv kroch er unter die Werkbank, um Schutz zu suchen. Doch auf den Knall folgte Stille. Da fühlte er, wie etwas auf seiner Brust herumkrabbelte. Seine rechte Hand griff danach und er spürte den Mikromechanischen.
»Lass mich los, ich muss die Lage erkunden!«
»Was ist passiert?«
»Ich habe den Schwerluftschacht gesprengt. Der Feind wollte eindringen. Glücklicherweise habe ich in deiner Manteltasche noch eine Minigranate gefunden. Wirklich erstaunlich, was du alles mit dir herumschleppst, Martin. Kannst du aufstehen?«
»Nein, du musst allein zurechtkommen. Mir ist schlecht und ich will nur schlafen.«
»Martin, du darfst jetzt nicht aufgeben. Wir müssen hier raus. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Schlapphüte wiederkommen. Los, versuche aufzustehen!«
Martin gelang es, sich aufzusetzen. Doch zum Stehen würde es nicht reichen, erkannte er. Er spürte seine Beine und auch den linken Arm nicht mehr. Es war, als wären sie einfach nicht mehr vorhanden. Er tastete sie mit seinen Händen ab. Überall waren Verbände. Wie eine halbe Mumie, dachte er, dann kniff er sich in den Oberschenkel, aber er spürte nichts. Plötzlich flüsterte der Mikromechanische neben ihm:
»Still, da kommt jemand. Nimm deinen Nagler!«
»Mein Herr, kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte eine Stimme, die ihm bekannt vorkam. Dann sah er zwei Füße, die in schwarz polierten Schuhen mit weißen Gamaschen steckten. Gleich darauf bückte sich der Sprecher und schaute unter die Werkbank.
»Ah, da sind Sie ja. Sie sind festgenommen. Zu Ihrer eigenen Sicherheit.«
Es war der ältere Herr mit Zylinder und Monokel, der ihn bereits in Victoria verhaftet und eingesperrt hatte. Seine Begleiter hatten Nagler in den Händen.
Der Mann betrachtete seine Bandagen und machte ein ernstes Gesicht.
»Sie sind schwer verletzt«, stellte er fest.
»Ja, ich hatte einen Unfall mit einem Roten Handschuh. Ihre Kollegen wollten uns umbringen. Die in den braunen Mänteln, mit den Galgenvogelgesichtern und den Schlapphüten.«
»Die Infiltranten«, sagte der Herr mit dem Monokel. »Sie gehören nicht zum Geheimdienst.«
»Sie sind ein Märchenonkel«, entgegnete Martin. Er war hundemüde und benebelt. Es war ihm gleich, was mit ihm geschah, wenn sie ihn nur schlafen ließen. »Sie haben ebenfalls Nagler, also gehören sie zu Ihnen.«
Der Mann presst die Lippen zusammen, dann griffen seine zwei Begleiter nach Martin und zogen ihn unter der Werkbank hervor. Der Mikromechanische war nirgendwo zu sehen. Vielleicht hatte er sich wieder in der Manteltasche verkrochen, mutmaßte Martin.
»Wir brauchen eine Trage«, sagte der Herr mit dem Monokel und die beiden schwarz gekleideten Herren schossen davon wie der Blitz. Dann nahm er ihm den Nagler ab. Martin hatte gar nicht gemerkt, dass er die Waffe in der Hand hielt.
»Sie brauchen das Ding nicht mehr«, sagte der Herr, »Sie könnten sich damit nur verletzten wie mit dem Roten Handschuh. Wo steckt übrigens Ihre Begleiterin, Lady Eliane?«
Martins Herz jubilierte. Die Frage bedeutete, dass sie sie bisher nicht geschnappt hatten.
»Keine Ahnung«, murmelte Martin. »Ich war
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