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Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Bärtschi
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Tambouren wieder ihre Schlägel und auf der Treppe erschienen fünf abenteuerlich gekleidete Gestalten, vier Männer und eine Frau. Ihre Kleidung, aus Fellen und allerlei Uniformteilen zusammengewürfelt, war unverkennbar.
    »Piraten«, entfuhr es Martin. Sie sahen genauso aus wie die Männer des Piratenseglers, denen Eliane eine blutige Schlacht geliefert hatte. Sie waren aneinander gekettet und wurden von einem Dutzend mechanischer Wächter begleitet.
    »Ihr werdet alle sterben!«, grölte einer der Piraten, ein Einäugiger mit einem Fransenbart und einem Hut, der so aussah, wie ihn der Zöllner getragen hatte. »Ihr seid verdammt und die Schremp werden euch die Adern aussaugen.«
    Die Menge lachte und klatschte Beifall – sogar Eliane. Nur Martin war nicht nach Klatschen zumute. Die Szene erinnerte ihn an einen Film, den er einmal gesehen hatte, und er ahnte, was nun kommen würde.
    »Wir werden euer Blut aus euren Schädeln trinken und aus euren Gedärmen Würste machen«, kreischte die Frau. Sie war betörend schön, auffällig geschminkt und trug das blonde Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Welch ein Kontrast zu ihren Gesellen.
    »Sie werden sie doch nicht etwa von der Planke in die Tiefe stoßen?«, flüsterte Martin.
    »Sei still, Martin, vergiss, woher du kommst und misch dich ja nicht in die Zeremonie. Am Ende würdest du noch an ihrer Stelle auf der Planke landen.«
    Martin schwieg betreten, sein Magen verkrampfte sich. Das war ja reines Mittelalter. Eine öffentliche Hinrichtung als Gaudi der höheren Gesellschaft. Angewidert wollte er sich abwenden und zurück ins Fort gehen, doch Eliane hielt ihn zurück. Inzwischen wurde der Einäugige auf die schmale Planke geschubst, die weit über den Abgrund hinaus ragte. Er fiel hin und konnte nur mit Mühe einen vorzeitigen Absturz verhindern. Dann drehte er sich nochmals zu der gespannt wartenden Gesellschaft um und schrie: »Fort Tesla wird der Vernichtung anheimfallen und ihr seid so gut wie tot.«
    Die Zuschauer klatschten wieder Beifall und einer rief:
    »Gute Reise und einen Gruß an die Ungeheuer vom Giftsee!«
    Der einäugige Pirat wandte sich ab und schritt auf das Ende der Planke zu. Dort breitete er theatralisch die Arme aus, als wolle er den nahen Tod umarmen und stürzte sich dann in die Tiefe.
    »Er ist freiwillig gesprungen«, bemerkte Martin erstaunt. »Wieso hat er sich nicht gewehrt?«
    »Weil ein kurzer Flug in den Tod schöner ist, als in den Verliesen des Forts zu Tode gefoltert zu werden«, entgegnete Eliane. Martin schauderte bei diesen Worten.
    Auch die Spießgesellen des Einäugigen marschierten ohne Aufhebens in den Tod. Die schöne Piratin wandte sich am Ende der Planke noch einmal um und rief der Gesellschaft auf der Plattform zu: »Ihr alle habt schon den Tod geküsst, nur wisst ihr es noch nicht.« Einige Zuschauer pfiffen und ein Uniformierter, der dem Wein stark zugesprochen hatte, grölte: »Fick dich, du Piratengöre.« Darauf warf ihm die Kommandantin einen verweisenden Blick zu.
    Als auch die Piratin in die Tiefe gesprungen war, stürzte sich die Gesellschaft auf das Buffet. Martin war die Lust am Essen vergangen, und als sich die Kommandantin zu ihnen gesellte und ihm ein Glas Wein anbot, lehnte er dankend ab. Trotz Elianes Warnung konnte er nicht zu dem eben Erlebten schweigen und fragte die Kommandantin:
    »Wieso töten Sie die Piraten auf diese grausame Art?« Eliane stand ihm auf den Fuß und die schöne Kommandantin sah ihn durch ihre randlose Brille nachdenklich an.
    »Sie kennen die Piraten nicht«, sagte sie. »Aber so grausam ist diese Art der Exekution nicht. Das Nichts des Æthers entscheidet über ihr Schicksal. Wenn es ihnen gut gesonnen ist, überleben sie den Sturz in den Giftsee.«
    »Das ist doch unmöglich. Aus dieser Höhe ist das Wasser so hart wie Fels.«
    »Das kommt auf die Art des Falls an. Stürzen sie sich kopfüber hinunter, erreichen sie eine Geschwindigkeit von über dreihundert Meilen pro Stunde, stürzen sie waagrecht mit ausgebreiteten Armen, so sausen sie mit etwa hundert Meilen in die Tiefe. Wenn sie sich kurz vor dem Aufprall mit den Füssen zum Wasser drehen, haben sie eine reelle Chance zu überleben.«
    »Sie entledigen sich Ihrer Verantwortung mit einer technischen Erklärung«, ereiferte sich Martin. Eliane trat ihm an den Knöchel.
    »Wenn Sie solange in dieser Welt gelebt haben wie ich, werden Sie mich verstehen. Wir Außenweltler haben keine Wahl: Entweder wir akzeptieren die

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