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Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)

Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)

Titel: Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Bärtschi
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hiesigen Regeln, oder wir sterben früh.«
    »Sie sind auch eine Außenweltlerin?«, staunte Martin.
    »Ich wurde in Brighton, in der Grafschaft von Sussex geboren und kam als Kind hierher. Ich weiß, wie Sie denken, Martin Dampfbusch. Sie sind ein feiner Mensch, ein Humanist, und ich bedaure es zu sagen: Sie werden vermutlich daran zugrunde gehen.« Sie lächelte und ihr langes Haar wehte in einer Windböe, die über die Plattform fegte. »Ich wünsche Ihnen morgen eine gute Reise, junger Herr. Passen Sie gut auf sich auf.« Ihre blau gesprenkelten Augen glitzerten.
     

 
    UM LEBEN UND TOD
     
    Martin genoss das gute Abendessen ausgiebig, das ihnen in der Kurier-Lounge serviert wurde, und ging danach früh schlafen. Er hatte ein riesengroßes Zimmer nur für sich allein und das breite Bett quoll über vor weichen Kissen, Decken und warmen Fellen. Endlich wieder einmal alleine. Wie gut das tat. Martin war im Grunde ein Einzelgänger, ein einsamer Wolf, und er hatte in der letzten Zeit die Möglichkeit des Rückzugs in eigene vier Wände schmerzlich vermisst. Trotz der aufwühlenden Ereignisse des Tages kam der Schlaf rasch und bemerkenswert traumlos.
    Am nächsten Tag, nach einem ausgiebigen Frühstück mit Brot, Butter und Käse, die genau gleich schmeckten wie auf der Erde, gesellte sich der Kurier zu den beiden.
    »Es geht los«, sagt er. »Der Schraubendampfer hängt schon am Haken.«
    Sie begaben sich alle drei auf das Schiff und in die Steuerkabine. Auf dem Weg dorthin begegnete ihnen niemand außer den Wachen. Auch die Kommandantin kam nicht, um sie zu verabschieden.
    »Vielleicht ist sie noch sauer auf mich, wegen gestern«, bemerkte Martin. Doch Eliane winkte ab.
    »Sie wird wohl andere Verpflichtungen haben.« Seine Begleiterin hatte einen selbstfahrenden Dampfkoffer im Schlepp und trug nun anstelle des blauen Rocks cremefarbene Hosen.
    Die Fahrt am Kranhaken war spektakulär. Der Himmel war bewölkt und sie durchquerten zwei Wolkenschichten, bevor der Giftsee unter ihnen auftauchte. Die Felswand war meistens senkrecht und im untersten Teil sogar überhängend. Das Ufer des Sees bestand nur aus einem kleinen Streifen Grün und einem Fußpfad.
    »Kann man am See entlang zu Fuß nach Stonehenge gehen?«, fragte Martin.
    »Im Prinzip ja, doch empfehlen würde ich es nicht. Der Weg über Wasser ist weitaus sicherer, trotz des giftigen Gases, das zuweilen aus der Tiefe hochsteigt. Hier in der Kabine des Schraubendampfers sind wir aber ohne Gasmasken davor sicher. Zumal die meisten Giftschwaden weiter oben im See auftreten und dann talaufwärts in Richtung Tiffany treiben.«
    »Wozu dient dann der Personenaufzug neben dem Schiffskran?«
    »Viele Besucher des Forts reisen mit dem Schiff nur bis hierher und fahren dann mit dem Lift hoch. Schiffe wie unser Schraubendampfer, die sowohl auf der Eisebene wie auch auf dem Wasser fahren können, sind eher Ausnahmen.«
    Die Personen-Kabine war unten und an einem Steg festgemacht, der ans Ufer führte. Der Kran senkte das Schiff dreihundert Meter weiter draußen ins gelbgrüne Wasser. Vermutlich hatte der Wind sie von der Felswand weggetrieben, sonst wären sie wohl näher gelandet. Der Kurier löste die Verankerungen des Kranseils und begab sich dann zu der Maschine, um sie in Betrieb zu setzen. Eliane und Martin waren ebenfalls nach draußen gegangen, um einen Augenschein zu nehmen. Es war angenehm warm, hier unten im Graben.
    Da zuckte plötzlich ein grüner Strahl über das Deck und traf den Mechanischen, der an der Maschine hantierte. Die Zange, die er in seinen metallenen Händen gehalten hatte, fiel auf das Deck, und wie in Zeitlupe kippte der Kurier hintenüber und fiel von Bord. Eliane, die sofort zu ihm gesprungen war, kam zu spät, um ihn aufzuhalten. Der Kurier plumpste ins Wasser und versank augenblicklich. Einige Luftblasen, die an die Oberfläche stiegen, waren das letzte Lebenszeichen von ihm. Martin war vor Schock einen Moment lang unfähig, sich zu bewegen, und als er sich endlich umdrehte, um nach dem Schützen zu sehen, erklang eine bekannte Stimme:
    »Bleib schön ruhig wo du bist, oder wir verwursten dich auf der Stelle.« Neben dem Steuerhaus stand die Piratin, die gestern von der Planke in die Tiefe gesprungen war. Sie hatte eine kleine Pistole auf ihn gerichtet, offenbar eine Miniaturausgabe einer Ætherpistole. Hinten bei der Maschine sah er den Rest der gestern angeblich exekutierten Piraten. Sie waren putzmunter und alles andere als tot. Der

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