Die Reise nach Orb - ein Steampunk-Roman (German Edition)
noch etwas anderes zeigen.« Er geleitete Martin zu einem anderen Tisch. Doch diesmal sah er nicht auf den ersten Blick, um was es hier ging. Röhrchen mit einer blauen Substanz, ein Zylinder Karbonfluxer, Spulen mit dickem Kupferdraht und kleine Stahlkugeln lagen auf dem Tisch.
»Was ist das?«, fragte Martin.
»Ah, sehen Sie! Sie können auch noch etwas lernen. Ich habe eine Magnetwaffe entwickelt, die viel effizienter ist als jedes Æthergewehr. Diese Stahlkugeln werden mit einer solchen Geschwindigkeit verschossen, dass sie jede Panzerung durchschlagen.«
Martin wollte fragen, ob es denn eine Panzerung gäbe, die Ætherwaffen aufhalten konnte, doch da war ein Trommelwirbel zu hören.
»Die Zeremonie beginnt und ich will sie nicht verpassen. Vielen Dank für die interessante Besichtigung, Herr Maribor.«
»Keine Ursache, mein Herr. Gehen Sie nur. Wenn Sie noch nie eine Zeremonie gesehen haben, werden sie erschrecken, und ich bezweifle, dass Sie daran Spaß haben werden. Mich widern diese Zeremonien an und ich bleibe lieber hier. Wenn Sie nach Stonehenge kommen, fragen Sie nach der Ærial. Sie ist nicht zu übersehen. Dort werden Sie die andere Station für die Ætherwellen finden.«
Martin eilte an den Wachen vorbei die Wendeltreppe des Turmes hinunter und orientierte sich an den Trommelwirbeln. Sie kamen von der Seite des Grabens. Die Wachen, die er antraf, gaben bereitwillig Auskunft über den Weg und auf einmal stand er auf einer großen überdachten Plattform, die über den Abgrund hinausragte. Es schneite noch immer und die andere Seite des Grabens war nicht zu sehen. Auf der Plattform hatte sich eine Gesellschaft aus fein gekleideten Ladies und Gentlemen versammelt, die meisten in Uniform. Vorne standen drei mechanische Tambouren und neben der Treppe zum Fort hatte man ein Buffet aufgebaut, bei dessen Anblick Martin das Wasser im Munde zusammenlief. Zu lange hatte er von undefinierbaren Konserven und Schokoladewürfeln leben müssen. Viele der Speisen waren ihm unbekannt, doch dazwischen sah er frische Brötchen, Käse, Eier und sogar etwas, das aussah wie Pommes Frites. Er war dermaßen vom Anblick des Buffets eingenommen, dass er fast mit Eliane zusammengestoßen wäre. Sie war aufgetakelt wie eine Fregatte vor dem Stapellauf und Martin hätte sie beinahe nicht wiedererkannt. Er fragte sich, woher sie die neuen Kleider bekommen hatte. Sie trug einen nachtblauen langen Rock mit Rüschen, eine hochgeschlossene weiße Bluse und darüber eine dunkelbraune, mit Messingknöpfen verzierte Weste. Auf dem Kopf trug sie einen Zylinder. Doch das Erstaunlichste an ihrer neuen Erscheinung waren ihre Haare. Sie waren nun dunkel wie die Nacht und zwischen ihnen glitzerte es, als hätten sich die Sterne darin verirrt.
»Du siehst blendend aus, Eliane.«
Sie lächelte. Gott sei Dank wieherte sie dabei nicht, schoss es Martin durch den Kopf, es hätte nicht zu ihrer Erscheinung gepasst.
»Danke, was hast du in der Zwischenzeit unternommen?«
»Ich habe eine fantastische Entdeckung gemacht«. Er erzählte ihr von Maribor und seinen elektrischen Experimenten und schloss mit den Worten: »Der Alte hat eine drahtlose Verbindung mit Stonehenge eingerichtet, eine Station, die Ætherwellen aussendet, um es mit seinen Worten zu sagen. Damit können wir die Stadt, bereits von hier aus, vor den mechanischen Rebellen warnen.«
Eliane legte den Zeigefinger auf ihre rot geschminkten Lippen.
»Kein Wort. Zuerst sondieren wir die Lage in Stonehenge. Die Informationen über Flix Krok und den geplanten Angriff mit einem Ekranoplan behalten wir in der Hinterhand. Das ist sozusagen unser Faustpfand – für alle Fälle.«
In diesem Moment ertönte eine Fanfare, die Trommler standen still und die Kommandantin erschien auf der Treppe. Sie blieb stehen, ließ ihren Blick über die Anwesenden schweifen und sprach:
»Verehrte Gäste, Ladies und Gentlemen, im Namen des Hohen Rates von Stonehenge: Lasst uns mit der Zeremonie beginnen. Heute sind vier Kandidaten und eine Kandidatin ausgewählt worden.«
Sie stieg die letzten Stufen hinunter und ging dann durch die Wartenden bis zur Brüstung der Plattform. Wie von Geisterhand bewegt, fuhr ein langer Steg aus der Plattform über den Abgrund hinaus, knapp einen Meter breit und ohne Geländer.
»Was soll denn das werden?«, flüsterte Martin beunruhigt zu Eliane. »Das sieht ja fast aus wie ein Sprungbrett!«
»Klappe halten«, flüsterte sie zurück.
Da wirbelten die mechanischen
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