Die Reise nach Uruk
Zentnergewicht auf seinen Schultern zu lasten.
»Vielleicht wart Ihr es doch, der mich heute Nachmittag beobachten ließ ...« Elisabeth blickte den Kaufmann herausfordernd an.
»Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht.«
»Nein?«
Pescara schüttelte mürrisch den Kopf. »Genug geredet! Ich wende keine Gewalt an - es steht Euch frei, die falsche Entscheidung zu treffen. Aber wenn Ihr klug seid, folgt Ihr uns jetzt. Ich wüßte keine Bessere, um meinen Sohn in die Liebeskunst einzuführen. Die Frauen, die ich kenne, können Euch nicht das Wasser reichen .«
Seine Komplimente kamen im selben Tonfall wie seine Drohungen.
Elisabeth überlegte fieberhaft, was sie tun sollte. Sie hatte keine Angst vor Pescara - höchstens vor sich selbst und ihrer Unbeherrschtheit. Und natürlich glaubte sie ihm: Es war unstrittig, daß er Einfluß hatten. Auch wenn sie mit ihm fertig wurde - mit dem ganzen Hafenviertel und sämtlichen Kapitänen würde sie es nicht aufnehmen können. Wenn sie jetzt einen Fehler machte, konnte sie sich hier in Rom nur noch als blinder Passagier an Bord eines der auslaufenden Schiffe schleichen - oder sie nahm einen Zeitverlust in Kauf, reiste nach Neapel weiter und versuchte dort einen neuen Anlauf .
Manuel scharrte unruhig mit den Schuhen.
»Also?« drängte Pescara.
Elisabeth nickte kaum merklich, innerlich aber immer noch unentschlossen. Bevor sie ihre Erinnerung an ihr Leben in der Zukunft zurückerlangt hatte, hatte sie eine Zeitlang in einem Amsterdamer Hurenhaus gearbeitet. Den eigenen Körper als Mittel zum Zweck zu benutzen war ihr also nicht völlig fremd. Aber die Jahre mit Tobias hatten ihre Einstellung geändert. Sie war nicht mehr die Frau, der es nichts ausmachte, mit x-beliebigen Männern ins Bett zu steigen. Und momentan war der Verlustschmerz, den Tobias ausgelöst hatte, noch so frisch, daß sie Pescara nicht nur mit völligem Unverständnis begegnete, sondern ihn schlicht als Unmenschen abstempelte, der sich die Folgen seiner Erpressung ganz allein selbst zuschreiben mußte.
Vergiß nicht, raunte es in ihrem Kopf, daß auch du ein Unmensch bist. Eine unmögliche Frau und auf deine Art ein schlimmerer Vampir als die Bleichen, die du ihres Blutwahns wegen geringschätzt...
Die Schizophrenie solcher Gedankenspiele war ihr nicht neu. Elisabeth überging diese Anwandlung einfach.
Offenbar glaubte der Kaufmann, gewonnen zu haben. Er hatte seinen Sohn am Arm gepackt und lenkte ihn aus dem Salon. Elisabeth folgte in geringem Anstand. Nach kurzem Weg gelangten sie in ein Zimmer, dessen Einrichtung vermuten ließ, daß es Manuel gehörte.
Pescara wartete, bis Elisabeth eingetreten war, dann schloß er die Tür. Manuel stand mit hängenden Schultern neben dem baldachinüberspannten Bett.
»Was ist aus seiner Mutter geworden?« fragte Elisabeth. »Lebt sie nicht mehr?«
»Wie kommt Ihr darauf?« Pescaras Mienenspiel war undeutbar.
»Sie weiß, wo ihr Platz ist, und hält sich aus wichtigen Entscheidungen heraus. Hättet Ihr lieber, wenn wir sie dazu riefen?«
Elisabeth zweifelte nicht, daß dieser zynische Patriarch auch dazu fähig gewesen wäre.
»Wir sollten sie nicht stören, vielleicht liegt sie gerade unter einem Eurer nicht blutsverwandten Diener und wäre über die Unterbrechung erbost ...«, sagte sie. »Wollt Ihr denn auch selbst mitmachen, oder überlaßt Ihr mich mit Haut und Haaren Eurem Sohn?«
Pescara ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Er zeigte auf einen Lehnstuhl neben der Tür. »Ich setze mich ganz still hierhin und überlasse Euch das Feld. Seid liebevoll zu ihm; wer weiß, vielleicht erlasse ich Euch dann sogar die Kosten der Überfahrt ...«
Liebevoll. Was für ein Unwort aus deinem Maul, du Dreckskerl!
Elisabeth trat zu Manuel, der etwas größer als sie selbst war, stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte dem wie versteinert Dastehenden ins Ohr: »Was immer gleich geschieht, halte dich ruhig, fang nicht an zu schreien und versuch nicht, mich aufzuhalten. Wenn doch, wird es dir ergehen wie deinem Vater . Hast du das verstanden?«
Manuel erzitterte.
»Hört auf zu tuscheln! Das dulde ich nicht! Ich will jedes Wort verstehen, das ihr wechselt ...« Francesco Pescara schlug mit der flachen Hand auf die Lehne des Stuhls, in den er gesunken war.
Elisabeth drehte sich lächelnd zu ihm um. »Wie alt seid ihr eigentlich, edler Herr Pescara?«
Die Begriffsstutzigkeit des Kaufmanns war verständlich. »Was soll das? Fangt endlich an! Zieht Euch aus
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