Die Reise nach Uruk
nicht.«
»Nein?«
»Nein.«
Elisabeth hatte nicht erwartet, daß Pescara zur realistischen Selbsteinschätzung fähig war.
»Was hat eigentlich den Ausschlag gegeben, daß Ihr es Euch noch einmal überlegt habt?« wechselte sie das Thema.
Es wurde der Auftakt zu einem mehr als merkwürdigen Dialog, in dessen Verlauf niemand auf die jeweilige Fragestellung des anderen einging, sondern stets eigene Fragen einwarf.
»Ihr tragt schwarz. Hat das eine Bedeutung? Seid Ihr in Trauer?«
»Wie ist der Kapitän der AMETHYST? Ich werde ihn noch kennenlernen, ich weiß, aber ich wüßte gerne vorher, mit was für einem Menschen ich es zu tun haben werde ...«
»Was treibt Euch nach Alexandria? Ihr erweckt nicht den Eindruck, als könnten es Geschäfte sein. Wollt Ihr Weiterreisen nach Kairo und die dortigen Zeugnisse der Pharaonenzeit besichtigen?«
So ging das unaufhörlich, bis Elisabeth genug davon hatte.
»Ich fürchte, ich muß jetzt gehen. Das Schiff lichtet früh den Anker, und wenn ich nicht rechtzeitig an Bord bin, wird es nicht auf mich warten .«
»Es wird warten. Bleibt ruhig noch ein wenig. Ihr seid doch gerade erst gekommen.«
»Ich will Euch keine Unannehmlichkeiten bereiten. Zeit ist Geld für einen Kaufmann, und ich würde es mir nie verzeihen, wenn es meinetwegen zu Verzögerungen käme .«
»Wie wichtig ist es Euch, das Land zu verlassen und nach Persien zu gelangen?« Pescaras Tonfall war unvermittelt eisig geworden, alle Freundlichkeit daraus gewichen.
Elisabeth begriff intuitiv, daß sie nun den eigentlichen Grund der Einladung erfahren würde.
»Ziemlich wichtig«, sagte sie ausweichend.
»Was wärt Ihr bereit, dafür zu tun?«
Das Gesicht des Kaufmanns wirkte wie aus Stein gemeißelt. Die Starre löste sich auch nicht, als sein Sohn im Hintergrund mit Geschirr schepperte. Pescara behandelte ihn ohnehin schon den ganzen Abend wie Luft, und es schien ihn auch nicht zu stören, daß Manuel jedes ihrer Worte hören konnte.
»Ich habe bereits eine Menge dafür getan.« Auch Elisabeth kehrte jetzt alle Kühle hervor, zu der sie fähig war. »Ihr habt mir ein kleines Vermögen abgeknöpft, ehe Ihr mir den Zuschlag gabt.«
»Geld ...«, erwiderte der Kaufmann herablassend.
»Es kann Euch nicht annähernd so unwichtig sein, wie Ihr jetzt klingt.«
»Mag sein, aber Geld ist nicht alles.«
»Geld ist alles, was Ihr von mir bekommen könnt.« Mußte sie noch deutlicher werden? Elisabeth war sicher, daß selbst Pescaras Sohn inzwischen wußte, in welche Ecke sein Vater den Gast zu drängen versuchte - und was der Gast davon hielt.
»Das möchte ich herausfinden«, sagte Pescara unbeeindruckt. »Folgt mir ins Schlafgemach.« Er stand auf und reichte Elisabeth die Hand. Mit der anderen gab er seinem Sohn einen Wink und rief: »Du, komm her!«
Elisabeth klebte kopfschüttelnd auf dem Stuhl. Sie nahm die Stoffserviette und wischte sich damit flüchtig über den Mund. Dann stand sie auf und kehrte Pescara demonstrativ den Rücken, indem sie sich zur Tür des Speisesaales, der auch für große Gesellschaften genügend Platz bot, wandte.
»Vielleicht haben wir uns mißverstanden«, holte Pescaras Stimme sie ein. »Aber es wäre sicherlich ein großer Fehler, jetzt zu gehen.«
Elisabeth blieb stehen. »Warum?«
»Weil Ihr dann niemals außer Landes gelangen werdet.«
Das war eine unverhohlene Drohung. Elisabeth drehte sich langsam nach dem Kaufmann um. Vater und Sohn Pescara standen Schulter an Schulter, und Manuel wußte vor Verlegenheit nicht, wohin er schauen sollte. Francesco Pescara war aus anderem Holz geschnitzt. Überheblich lächelnd hielt er Elisabeth' offener Verachtung stand und entgegen: »Ziert Euch nicht so. Dazu seid Ihr nicht in der Position. Ein Wort von mir genügt, und niemand wird Euch auf sei-nem Schiff mitnehmen.«
»Das klingt, als hättet Ihr nur Freunde.«
»Freunde? Man fürchtet mich. Ich kann ein sehr rachsüchtiger Mann sein.«
»Ihr wollt mich also erpressen und erwartet allen Ernstes, daß ich Euch über die geleistete Zahlung hinaus gefällig bin ...?«
»Nicht mir.«
»Sondern?«
»Ihm.« Er nickte zu seinem Sohn.
Elisabeth gab sich nun keinerlei Mühe mehr, ihre Abscheu zu unterdrücken. »Eurem Fleisch und Blut, das Ihr wie einen rechtlosen Diener behandelt?« Sie wandte sich an Manuel. »Was sagst du zum Ansinnen deines Vater und dazu, wie er sich hier aufführt?«
Pescaras Sohn schwieg verschüchtert. Die Gegenwart seines Vaters schien wie ein
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