Die Reise zum Ich
Reibung
zwischen
erstrebtem
Wesensausdruck
und
eingewurzelten
Hemmnissen, die der Persönlichkeitsentfaltung entgegenstehen. Das Fegefeuer ist die Konfrontation mit dem, was nur konfrontiert beziehungsweise zu Bewußtsein gebracht werden
kann durch die Herausforderung, ihm entgegenzutreten. In
dantes Bilderwelt ist die Besteigung des Berges der Läuterung
das Symbol für das Fegefeuer. Psychologisch ausgedrückt: Es
geht um den Mut zu sein, allen Widerständen zum Trotz der
essentiellen Natur freien Lauf zu lassen. Psychotherapeutisch
gesehen, zumal bei der Anwendung psychoaktiver Drogen,
verläuft der Prozeß in dem sehr begrenzten sozialen Rahmen
der Beziehung zwischen Patient und Therapeut, kann aber auch
durch
die
Ausdrucksmöglichkeiten
abstrakter
Kunstmittel
oder solcher aus dem schier unbegrenzten Bereich imaginativer
Kreativität ergänzt werden. In der großen Bedeutung, die solche Aktivierung auf dem Gebiet der optischen oder dramatischen Darstellung für den Heilungsprozeß hat, ist der Grund dafür zu suchen, daß die Techniken der Gestalttherapie und der
gelenkten Tagträume in diesem Buch so eingehend behandelt
werden.
Es scheint naheliegend, den Prozeß der Wandlung durch die
unvermeidlich schmerzhafte Kontemplation jener zu transformierenden Aspekte verzerrter psychologischer Realität einzuleiten. Dennoch spricht eine Menge zugunsten eines entgegengesetzten Vorgehens in der Psychotherapie, nämlich: mehr Gewicht auf Entwicklung und Ausdruck der gesunden Aspekte der Persönlichkeit zu legen und, anstatt die alten Grundmuster
auszulöschen, lieber dem Patienten zu helfen, die Realität fester in den Griff zu bekommen, und weniger die Analyse einer Phantomwelt
fragwürdiger
Bilder
und
Seinsinterpretationen
auf die Spitze zu treiben. Im Bereich der Drogentherapie heißt
dies, man sollte die Phase der visionären Erlebnisse nutzen.
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Unter LSD und andere Drogen anwendenden Psychotherapeuten besteht kaum ein Zweifel darüber, daß manche von ihnen zu einseitig das Eintreten euphorischer Hochgefühle im Blick
haben und den sogenannten »bad trip« als Fehlschlag und nicht
als Anstoß zu seiner Verarbeitung sehen. Andererseits besitzen
viele von ihnen sehr viel Erfahrung und Geschicklichkeit im
Umgang mit pathologischen Symptomen und Konflikten, und
dennoch wissen sie nicht, was sie angesichts von euphorischen
Zuständen tun sollen, die in ihr Konzept nicht hineinpassen.
Wenn beiden Drogenerfahrungen, den qualvollen wie den beseligenden, ein psychologisches Heilungspotential innewohnt, ist es sehr wichtig, über Anwendung und Erfolgsaussichten
einer jeden Drogenart genau informiert zu sein und zu wissen,
wie man am besten verfährt.
Auf den ersten Blick scheint dies nur eine Frage der Technik zu
sein. Ich jedoch meine, daß es eine Frage des Verhältnisses ist,
in dem beide Arten von Erfahrungen zueinander stehen, und
diese Frage ist wiederum nur ein Aspekt der umfassenderen
Frage nach dem Verhältnis zwischen der heutigen Psychotherapie und jenen spirituellen Disziplinen und Forschensweisen, wie sie von Mystikern in ihren Schriften und Lehren beschrieben worden sind.
Was nun das rechte Verständnis der Drogenerfahrungen und
das Verhältnis zwischen Psychotherapie und spiritueller Forschung betrifft, so gibt es in dieser Hinsicht so viele verschiedene Ansichten und Meinungen, als stünde die menschliche Erkenntnisfähigkeit als solche zur Debatte. Am verbreitetsten
scheint die Meinung zu sein, daß beide nichts miteinander zu
tun haben und daß weder die eine noch die andere von entscheidender Bedeutung sei. Da sind denn jene, die die »transzendentale« Seite für ausschlaggebend, die psychiatrische Behandlung dagegen für eine ziemlich triviale Angelegenheit halten, und andere wiederum, die allem »Mystischen« von vornherein
Mißtrauen entgegenbringen. Oder sie meinen, dies sei zwar
kulturell interessant, doch irrelevant für die hohe Zielsetzung
der geistigen Heilung. Psychotherapeuten wie fromm, benoit
oder nicoll, die die Bedeutung der spirituellen Disziplinen für
ihr Arbeitsfeld erkannt haben, oder an Psychotherapie interessierte religiöse Denker wie watts sind eine Minderheit, und ihre Zahl schrumpft noch, wenn wir nach denen Ausschau
halten, die definitive Vorstellungen von den Zusammenhängen
haben, die zwischen den beiden Gebieten bestehen.
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Aus meiner Sicht sind »Psychotherapie« (recht verstanden)
und »Mystik« oder
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